Poppenspael
allemal.«
»Goldmünzen?«
»Genau,
20-Franc-Goldmünzen, Prägejahr 1904. Das Stück
dürfte heute über 200 wert sein. Bei mir kriegen Sie alle
15 zusammen für den Spottpreis von 1000 .«
Ørsted fischt
einen dunkelroten Samtbeutel aus seiner Tasche und lässt die
glänzenden Münzen aus der Öffnung auf den
Ladentresen klappern. Der düstere Laden erstrahlt im magischen
Schimmer der Habsucht, der dürre Mann greift nach den runden
Scheiben, betastet sie zwischen Daumen und Zeigefinger, lässt
sie hin und her gleiten und hält sie zuletzt dicht vor das
rechte Auge.
»Morgenstund hat
Gold im Mund«, zitiert er leise für sich selbst, um dann
wieder mit normaler Stimme fortzufahren. »Das kann ich nicht
zwischen Tür und Angel entscheiden, kann ich die Münze
kurz unter der Lupe anschauen?«
»Nur zu, nur zu,
soviel Zeit muss sein!«
Der Mann verschwindet
hinter einem schweren Brokatvorhang. Ørsted trommelt
nervös mit den Fingern auf dem Tresen. Die Zeit steht still,
nur das Ticken einer Wanduhr verrät, dass es nicht so ist.
Langsam wird Ørsted ungeduldig, er tritt an den Vorhang und
schiebt ihn vorsichtig etwas zur Seite. Eine winzige Deckenfunzel
taucht den Raum in ein diffuses Licht, nur die Silhouette des
Mannes, der mit flüsternder Stimme telefoniert, ist vage
auszumachen. Bei Ørsted läuten sofort alle
Alarmglocken, er füllt die restlichen Goldmünzen in den
Beutel, packt die Porzellanfigur wieder ein und stürmt Hals
über Kopf auf die Straße.
Das Arschloch quatscht
doch mit der Polizei, ist er sich sicher und hastet durch die engen
Gassen, als könne er seinem Schicksal entgehen, wenn er
rechtzeitig seinen parkenden Wagen erreicht. Die Unheilsahnung im
Nacken trabt er im Eiltempo die Neustadtstraße entlang,
erreicht das Nordertor, einen alten Backsteinbau mit Stufengiebeln.
Bevor er den Torbogen passiert, sticht ihm ein Spruch auf einem
Wappen im Gemäuer ins Auge. In goldenen Lettern steht dort:
›Friede ernährt, Unfriede verzehrt‹.
Es hört sich an
wie ein böses Omen. Er glaubt sich von unsichtbaren Gestalten
verfolgt und nimmt mit Riesenschritten die Treppe zum Hafen
hinunter. Der Parkplatz ist in der Zwischenzeit bis auf den letzten
Platz belegt.
Wie konnte ich der
Polizei bloß ins Visier geraten, denkt er. Die Frage hatte er
sich schon auf der Fahrt nach Flensburg immer wieder gestellt. Er
war doch nie unvorsichtig gewesen, hatte nie ohne Handschuhe ein
Haus betreten. Mitten in der Nacht hatte die Kripo dann
plötzlich vor der Tür gestanden und wollte ihn verhaften.
Glücklicherweise hatte er einen klaren Kopf bewahrt und sich
aus dem Staub gemacht.
Dämlich, mein
Lieber, kontert seine innere Stimme, du hast dich nur
verdächtig gemacht, ohne einen ersichtlichen Grund. Nun sind
sie erst recht hinter dir her. Also, höchste
Wachsamkeit.
Ørsted hat
seinen Wagen entdeckt, doch bevor er näher herantritt,
versichert er sich, ob nicht irgendwo eine verdächtige Person
in der Nähe herumsteht. Er kann niemanden entdecken, sitzt
blitzschnell hinter dem Leckrad, lässt den Motor aufheulen und
rast mit durchdrehenden Reifen in Richtung Werftstraße davon.
Am hölzernen Anlegesteg macht gerade einer der weißen
Schleidampfer fest. Ørsted überquert den
Willy-Brandt-Platz, vorbei am ältesten Gebäude der Stadt,
dem Kompagnietor und dem Schifffahrtsmuseum. Vor der
Tower-Discothek springt die Ampel auf Rot. Sein Blick schweift
nervös über die gegenüberliegende Ostseite des
Hafens. Neben einer neugebauten Wohnanlage stehen noch die alten
Silos. Ein Auto hinter ihm hupt, die Ampel ist bereits auf
Grün gesprungen. Er legt den Gang ein, während er
gleichzeitig sieht, wie ein Polizeiwagen, der links in der
Norderfischerstraße steht, sein Blaulicht einschaltet. In
Panik drückt er das Gaspedal durch, wird in den Fahrersitz
gedrückt und setzt sich mit einem riskanten
Überholmanöver vor einen silbergrauen Mercedes. Im
Augenwinkel schwebt am Ostufer die Flensburger Schiffswerft vorbei.
Jetzt ist es nicht mehr zu überhören, das Martinshorn des
Streifenwagens kommt näher und wirft unheilvolle Lichtblitze
durch die Rückscheibe seines Wagens.
Was mach ich nur? Was
mach ich nur? Die Frage zieht sich wie eine Endlosschleife durch
seinen Kopf. Was mach ich nur? Was mach ich nur? Bloß jetzt
nicht auf die B200 nach Dänemark, die würden mich noch
vor der Grenze abfangen.
Alle Fahrzeuge vor und
hinter ihm fahren rechts heran, machen dem herannahenden
Streifenwagen die Straße
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