Poppenspael
Schlafzimmer davon. »Wenn du Lust hast, koch dir
einen Tee und komm einfach nach. Heute ist schließlich
Samstag, du hast frei, wozu sollten wir uns hetzen,
oder!«
»Wie ist das zu
verstehen, Schatz?«
»Also, ich
für meinen Teil habe mich ziemlich deutlich ausgedrückt,
oder!«, flüstert Anna mit aufgesetzt lüsterner
Stimme und lässt den Bademantel absichtlich von der Schulter
gleiten. Bevor sie das Bett erreicht hat, spürt sie seinen
Körper in ihrem Rücken. Der harte Penis drückt sich
durch den Flanellstoff der Pyjamahose zwischen ihre Pobacken. Sie
stellt den Kaffee auf den Boden und reckt ihm dabei den Hintern
entgegen. Das Signal verfehlt seine Wirkung nicht. Er packt sie an
der Hüfte. Mit einer schnellen Drehung windet sie sich aus
seinem Griff und nimmt sein Gesicht zwischen ihre Hände. Mit
der Zunge öffnet sie seine Lippen, er fasst nach ihren
Brüsten. Anna lässt sich aufs Bett gleiten und zieht ihn
mit sich, während das Telefon zu klingeln beginnt. Seine
Hände verharren. Sie blickt ihm in die Augen.
»Jan Swensen,
nein!«, faucht sie warnend.
Er bleibt stocksteif
liegen. Sie rollt zur Seite, schlägt die Bettdecke über
sich und horcht, wie er aufsteht und aus dem Raum eilt. Sie ballt
die Hände zu Fäusten, spürt geballten Ärger auf
ihren verhinderten Liebhaber, diesen Hauptkommissar, der keinem
Anruf widerstehen kann, der grundsätzlich immer im Dienst ist
und seinen Beruf höher stellt als seine eigene
Privatsphäre.
»Anna!«
Sie hebt missmutig den
Kopf und Jan Swensen reicht ihr grinsend den
Telefonhörer.
»Der Anruf ist
für dich! Ein Herr von der Storm-Gesellschaft wünscht
dich zu sprechen!«
»Karsten
Bonsteed? Ist das der Karsten Bonsteed, mit dem ich damals bei
diesem Mord im Storm-Museum zu tun hatte?«, fragt Swensen
neugierig, als sie dreieinhalb Stunden später auf der
Holzterrasse der Strandkiste sitzen.
»Genau, wir
haben ihn damals zufällig mit deiner Kollegin Haman beim
Chinesen getroffen«, bestätigt Anna Diete. »Diese
peinliche Begegnung! Erinnerst du dich nicht
mehr?«
»Peinlich? Wieso
peinlich?«
»Da sag ich
nichts zu!«
»Muss ich das
verstehen?«
»Nicht
unbedingt!«
»Okay, also
dieser Bonsteed möchte, dass du einen Vortrag
hältst?«
»Ja, stell dir
das mal vor!«, jubelt Anna. »Bonsteed hat meine
Abhandlung über den kleinen Häwelmann in der Zeitschrift
Psychologie gelesen und war so beeindruckt, dass er gern eine
psychologische Deutung aller Storm-Märchen für das
nächste Storm-Symposium von mir haben
möchte.«
»Heeh, Anna! Das
hört sich ja richtig toll an!«
»Finde ich auch.
Ich, der eingefleischte Storm-Fan, der immer nur als Zuhörer
auf den Symposien war, soll dort nächstes Jahr selbst einen
Vortrag halten, nicht zu glauben, oder?«
»Warum nicht,
gute Psychologinnen braucht das Land. Deine Ratschläge sind
für meine Ermittlungen immer hilfreich.«
»Wissen Sie
schon, was Sie bestellen möchten?«, unterbricht die
Bedienung.
»Zweimal
heiße Waffeln, Vanilleeis und Sahne!«, entgegnet
Swensen, und während die junge Frau an den nächsten Tisch
eilt, setzt er ein verlegenes Grinsen auf. »Das gönnen
wir uns einfach als kleine Wiedergutmachung für den etwas
missglückten Morgen, heute Morgen. Obwohl, wenn ich das
Telefon nicht abgehoben hätte, wüsstest du gar nichts von
deinem Glück.«
»Vorsicht, mein
Ärger ist nicht verpufft, Jan Swensen«, fährt ihm
Anna in die Parade, »du hast das Telefon nur abgenommen, weil
du geglaubt hast, es wäre jemand aus deiner
Dienststelle!«
»Na
ja!«
»Gib das sofort
zu!«, drängt Anna und ist selbst erstaunt über ihre
scharfe Stimme. Der aufgestaute Ärger über Jan lässt
ihre Freude über das Angebot von Karsten Bonsteed in den
Hintergrund treten.
Dabei war der Tag bis
jetzt ziemlich harmonisch verlaufen. Nach dem Frühstück
waren sie im alten Polo von Jan auf den Autostrand vor St.
Peter-Ording gefahren. Dort waren sie von einer glänzenden
Blechlawine empfangen worden, und Menschenmassen hatten den
gesamten Strand in Beschlag genommen. Der Riesentrubel galt der
gerade stattfindenden deutschen Meisterschaft der Strandsegler. Die
dreirädrigen Fahrzeuge aus Glasfaser und Aluminium, die einem
schmalen Kajak mit Segel gleichen, schnellten in einem bunten Pulk
über die flache Wattlandschaft. Einer der Piloten prahlte
damit, dass er bei der Regatta heute über 130 Stundenkilometer
erreicht hätte. Irgendwann war ihnen der Lärm zu nervig
gewesen. Nach einem
Weitere Kostenlose Bücher