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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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herrscht
schon reger Betrieb. Rechts an der Wand stehen drei graugestrichene
Wahlkabinen, davor wartet eine ältere Dame, die Wahlliste
dicht vor ihrer Brille. Seitwärts daneben hat man vier
Klassentische zusammengeschoben. Hanna Lechner tritt mit ihrer
Wahlbenachrichtigungskarte an einen der Tische und bemerkt erst in
dem Moment, dass Englischlehrer Florian Werner
dahintersitzt.
    »Guten Morgen,
Hanna!«, grüßt er mit versteinerter
Miene.
    »Florian! Ich
hatte keine Ahnung, dass man dich als Wahlhelfer verpflichtet
hat«, sagt sie freundlich, ahnt aber durch seine
merkwürdig distanzierte Art, dass die Gerüchteküche
bereits gute Arbeit geleistet hat. Sie schiebt die orangefarbene
Karte über den Tisch, er nimmt sie hoch und vergleicht den
Namen mit den Adressen der Wahlberechtigten in seinem Ordner, als
würden sie sich nicht kennen. Danach reicht er Hanna Lechner
wortlos die Wahlliste und einen Briefumschlag. Vor der Kabine steht
eine kleine Schlange. Ihre Kopfschmerzen sind nicht besser geworden
und sie überlegt, eine zweite Tablette zu nehmen, verwirft es
aber wieder.
    »Die zweite
Kabine ist frei geworden«, sagt ein Helfer zu ihr.
    Der Mann muss sich
wiederholen, bis sie realisiert, dass sie gemeint ist.
»Danke«, murmelt sie und tritt hinter den Vorhang. Sie
setzt ihre beiden Kreuze bei der CDU, ohne den Namen des
Direktkandidaten zu beachten, faltet die Liste zusammen und steckt
sie in den Briefumschlag. Die Frau hinter der Wahlurne zieht einen
weißen DIN-A4-Bogen vom Schlitz. Sie wirft ihren
Briefumschlag hinein, eilt auf den Ausgang zu und nimmt aus dem
Augenwinkel wahr, dass der Platz ihres Kollegen hinter dem Tisch
leer ist. Sofort kommt ein unangenehmes Gefühl auf, und sie
überlegt, nicht den Hauptausgang zu nehmen. Doch es ist schon
zu spät, auf der Treppe steht Florian Werner wie ein Fels, der
auf die Brandung wartet. Die breiten Schultern drohen, sein
Tweedsakko zu sprengen, und seine blauen Augen sind stoisch auf sie
gerichtet. Hanna Lechner glaubt einen Augenblick, ihre Jugendliebe
Sik vor sich zu haben. Ihr wird plötzlich bewusst, dass der
Englischlehrer große Ähnlichkeit mit ihm hat.
    »Hanna, ich muss
unbedingt kurz mit dir reden!«, sagt Florian Werner mit
massivem Druck in der Stimme.
    »Das ist sehr
ungünstig«, erwidert Hanna Lechner. Sie möchte dem
Gespräch zu diesem Zeitpunkt unbedingt aus dem Weg gehen.
»Hat es nicht Zeit, bis ich wieder mehr Zeit habe? Hier
zwischen Tür und Angel kann man nicht wirklich in Ruhe
reden!«
    »Wenn es nicht
wirklich dringend wäre, würde ich dich nicht
ansprechen.«
    »Was gibt es
denn?«
    »Nun, es
grassiert ein albernes Gerücht an der Schule, welches meine
Person diskreditiert!«
    »Es ist mir zu
Ohren gekommen.«
    »Was, du
weißt davon?«
    »Wenn wir vom
gleichen Gerücht sprechen?«
    »Ich sage nur
Melanie Ott!«
    »Das
Gerücht wurde mir zugetragen, ja!«
    »Wer hat dir das
gesteckt, Hanna? Ich ahnte schon, dass es Intriganten unter den
Kollegen gibt!«    
    »Das möchte
ich so lange vertraulich behandeln, bis ich mit allen Beteiligten
gesprochen habe.«
    »Ich bin einer
der Beteiligten!«
    »Du bist der
Beschuldigte!«
    »Ich habe nichts
gemacht, wofür ich beschuldigt werden könnte.« Die
Stimme von Florian Werner droht, sich zu
überschlagen.
    »Ich würde
mich ein wenig mehr zusammenreißen, Florian«, versucht
Hanna Lechner die Wogen zu glätten. »Es kann jeden
Moment jemand vorbeikommen, das würde die Gerüchte nur
noch weiter anfachen!«
    »Du hast ja
recht, aber hier geht es um meinen Kopf! Du brauchst die Sache ja
nicht unnötig an die große Glocke zu hängen. In
solchen Dingen halten sich Anschuldigungen hartnäckig, selbst
wenn sie sich am Ende als falsch herausstellen. Es lässt sich
alles intern an unserer Schule aufklären.«
    »Das versteh ich
nicht. Worauf willst du hinaus?«
    »Ich möchte
nicht, dass die Schulbehörde vorschnell mit hinzugezogen wird.
Dann kocht die Sache unnötig hoch, es wird noch in meiner
Vergangenheit herumgestochert und alles kommt nie mehr aus der
Welt.«
    »Wieso, gibt es
in deiner Vergangenheit irgendetwas, was ich wissen
sollte?«
    »Natürlich
nicht! Dass du so was überhaupt in Betracht ziehst,
kränkt mich ungemein. Ich habe mir einen guten Ruf an dieser
Schule erworben, mir eine Position erarbeitet. Du weißt
selbst, dass ich mich sehr um deine Nachfolge bemühe. Das kann
ich alles knicken, wenn dieser Unsinn nicht sofort ein Ende
hat!«
    »Aber ich werde
dir nicht

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