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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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versprechen, alles unter den Teppich zu kehren. Ich rede
zuerst mit dem Mädchen, wenn ich zurück bin. Dann sehen
wir weiter!«
    »Hat das
Mädchen mich beschuldigt?«
    »Nein!«
    »Wer
dann?«
    »Ich sagte
bereits, zu diesem Zeitpunkt sage ich nichts
dazu!«
    »Jetzt wird es
so langsam klar!«
    »Was wird
klar?«
    »Ich bin dir ein
Dorn im Auge! Du willst nicht, dass ich deinen Posten
übernehme.«
    »Ich finde, wir
brechen das Gespräch ab! So etwas muss ich mir nicht von dir
vorwerfen lassen.«
    »Ich warne dich!
Wenn du mich ins offene Messer laufen lässt, werde ich mich zu
wehren wissen!«
    Hanna Lechner
drängt an dem Englischlehrer vorbei, hört ihn leise
fluchen und Verwünschungen aussprechen, die sie aber nicht
mehr verstehen kann. Draußen auf der Straße ist ein
Wahlplakat der CDU an einem Baum befestigt. Es zeigt eine
lächelnde junge Frau, darunter der Text: ›Wenn mein
Freund so viele Versprechen brechen würde wie der Kanzler,
würde ich ihn rauswerfen.‹
    *
    ›Geld existiert
in Wirklichkeit gar nicht‹, liest Anna Diete. Der Satz war
ihr mitten in der Aufführung von ›Bulemanns
Haus‹ in den Sinn gekommen, als der Puppenspieler die
Marionette des Herrn Bulemann gerade seine Geldtruhe öffnen
ließ. Während des ganzen Stücks hatte sie der Satz
nicht mehr losgelassen, und sie hatte krampfhaft überlegt,
woher sie ihn nur kannte. Etwas später war ihr das Buch
›Mysterium Geld‹ eingefallen, und sie erinnerte sich
verschwommen, es vor langer Zeit auf eines der oberen Regale ihres
Bücherbords verbannt zu haben. Darin sind interessante Aspekte
zum Thema Geld zusammengefasst worden, und richtig, wieder im Haus,
konnte sie das Buch auf Anhieb unter den anderen hervorziehen, vom
Staub der Zeit befreien und auf dem Schreibtisch
platzieren.
    Die Aussicht, einen
Vortrag auf dem nächsten Storm-Symposium zu halten, hat ihren
Tatendrang beflügelt. Der Besuch des Marionettentheaters am
heutigen Vormittag hat einen weiteren Teil dazu beigetragen. Sie
hat einige der Dialoge aus der Vorstellung noch im Ohr, hört
die jammernden Worte, die der Puppenspieler dem einsamen Herrn
Bulemann am Ende des Stücks in den Mund gelegt
hatte.
    »Ich sehe einen
Menschen, da unten geht ein Mensch in der Gasse. Hallo, Sie da
unten, gehen Sie nicht vorbei! Ich bin reich, mein Haus ist bis
unters Dach voller Schätze! Ich werde alles mit Ihnen teilen,
wenn Sie nur hören wollen! Sie sollen alles haben! Ich selbst
will nichts, will gar nichts für mich
behalten.«
    Die Stimme der
Marionette verklingt, während sie das Buch, das sich mit dem
Geld befasst, aufschlägt. Gleich auf der ersten Seite springen
ihr zwei Sätze entgegen. Sie greift nach einem gelben Marker
und unterstreicht: ›Die Tatsache, dass Geld in einer
unendlichen Vielfalt von Münzen und Scheinen vorhanden ist,
sagt nichts über seine wirkliche Existenz aus. Der Wert des
Geldes beruht einzig und allein auf einer Vereinbarung in der
jeweiligen Gemeinschaft, Münzen oder Scheine als
Zahlungsmittel zu verwenden und anzuerkennen.‹
    »Kaum sind wir
wieder zurück, schnappst du dir ein Buch und bist nicht mehr
ansprechbar«, weht die Stimme Jan Swensens voraus, als er ins
Zimmer tritt. Sein aufgesetzt jammernder Unterton lässt Anna
Diete aufblicken. »Ich dachte, wir würden uns einen
netten Nachmittag im Garten machen?«
    »Kannst du
nichts mit dir anfangen, Jan?«
    »Aha, da spricht
die Psychologin!«, neckt er. »Ich finde es eine
völlig normale Angewohnheit, sich gemütlich in den Garten
setzen zu wollen und zu relaxen, gerade wenn wir am Abend auch noch
ins Puppentheater gehen wollen.«
    »Ich finde, hier
ist schon Puppentheater genug, Jan Swensen! Ein Vorschlag zur
Güte, du gehst in die Küche, kochst mir einen Kaffee und
dir einen Tee, und wenn du fertig bist, sitze ich bereits im Garten
und warte auf dich. Was hältst du davon?«
    »Das wollte ich
gerade vorschlagen!«
    Anna Diete quittiert
den provozierenden Satz mit einem Lächeln und legt ihr Buch
zur Seite. Natürlich gibt es ein Repertoire von Beispielen,
dass gerade der Hauptkommissar seiner Arbeit höchste
Priorität beimisst und das Privatleben öfter hinten
anstellt, aber gegenseitiges Aufrechnen ist für Anna Diete
reine Zeitverschwendung. Wir Menschen sind halt
widersprüchlich, lautet eine ihrer Devisen.
    Schweren Herzens
verlässt sie ihren Schreibtisch, tritt durch die
Terrassentür und setzt sich auf einen der Gartenstühle.
Die Gedanken sind ihr allerdings gefolgt, denn

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