Poppenspael
die
Oberschenkel. Die Stimme des Jugendlichen klingt plötzlich
gepresst: »Was willst du denn von mir? Ich hab nur gesagt,
was ich gesehn hab!«
Er drängelt sich
an ihr vorbei, reißt die Haustür auf und rennt zur
Gartenpforte. Als Petra Ørsted reagieren kann und ihm
nachsetzt, steht die Pforte offen und von dem Jungen ist weit und
breit nichts mehr zu sehen.
»Peter, kommt
sofort zurück!«, ruft sie, doch ihre Stimme verhallt im
Nichts. Sie kehrt in die Küche zurück, macht sich dort
ein Käsebrot und isst es im Stehen, während sie durchs
Fenster den Wagen von Sören kommen sieht, der rasant in die
Auffahrt prescht. Die Steuerberaterin hört die Autotür
klappen, und wenig später dreht sich der Schlüssel im
Haustürschloss. Sie geht in den Flur hinaus. Sören steht
vor dem Spiegel und betrachtet sein Gesicht. Das rechte Auge ist
geschwollen, über die rechte Wange ziehen sich lange
Schürfspuren mit verkrustetem Blut.
»Wie ist das
denn passiert?«, fragt sie mit aggressivem Unterton.
»Und wo kommst du eigentlich her? Hättest doch
wenigstens anrufen können!«
»Guten Morgen,
Petra, danke, es geht mir gut, und der Rest geht dich nichts
an!«
»Ist das alles,
was du mir dazu sagen willst?«
»Was willst du
denn hören?«, fragt er scharf und verdreht die
Augen.
»Was heute Nacht
los war«, zischt Petra zurück. »Hast du dich mit
einem Kerl geprügelt?«
»Von dir kommen
immer nur Vorwürfe! Wenn ich über Nacht wegbleibe, treibe
ich mich selbstverständlich herum! Dass meine Arbeit das
erfordert, ist dir doch scheißegal!«
»Weswegen hast
du mich eigentlich geheiratet? Dann leb doch gleich allein!«,
erwidert sie trotzig.
»So früh am
Morgen habe ich keinen Bock auf eine Szene, bloß weil ich im
Hotel übernachten musste.«
»Schon wieder im
Hotel?«
»Glaubst du mir
etwa nicht? Fehlt nur noch, dass du mir
hinterherspionierst.«
»Dann sag doch,
in welchem Hotel du übernachtet hast!«
»Das geht dich
gar nichts an!«
»So geht das
nicht weiter«, sagt Petra Ørsted resigniert.
»Ich finde, unsere Ehe gehört auf den Müll! Das
wäre für uns alle das Beste!«
»Willst du damit
andeuten, dass du mich ohne einen Pfennig vor die Tür setzen
willst?«
»Warum
eigentlich nicht? Unsere Situation ist
unerträglich!«
»Und wo soll ich
dann hingehen? Denk doch auch mal an die Kinder!«
»An die denke
ich ja gerade!«
»Ich hab schon
immer geahnt, dass du ein boshaftes, hinterhältiges Weib bist,
die mich mit ihrem Geld ködern will!«
Petra Ørsted
sieht nur noch einen Schatten. Sören schlägt ihr mit der
flachen Hand ins Gesicht. Die Wucht schleudert sie an die
Wand.
*
»Verstehe ich
das richtig, Sie wollten eigentlich vor drei Tagen in den Urlaub
fahren?«, stutzt Stephan Mielke und mustert beiläufig
den kräftigen Mann, der ihn mit flinken grauen Augen von oben
bis unten abtastet. Der Oberkommissar zieht einen Notizblock aus
der Jackentasche und nimmt den darin enthaltenen Schreibstift
heraus.
»Darf ich
fragen, wieso Sie den Urlaub nicht angetreten
haben?«
»Die Mutter
meiner Frau ist gestorben«, antwortet der Mann betont leise,
als wolle er der Frau an seiner Seite die Worte nicht
zumuten.
»Das tut mir
leid«, bringt Mielke mit Mühe über die Lippen.
»Mein herzliches Beileid.«
Solche Situationen
sind ihm unangenehm. Alles, was den üblichen Ablauf einer
Ermittlung durcheinanderbringt, bringt auch sein Bild von einem
distanzierten Kripobeamten ins Wanken. Nach außen gibt er
sich dann besonders unnahbar, manchmal sogar schroff, damit man ihm
seine innere Gemütslage nicht anmerkt.
»Wann wären
Sie normalerweise wiedergekommen, Herr Hagedorn?«, fragt
Mielke nach einer kurzen Pause.
»Ende
nächster Woche, weshalb fragen Sie das?«
»Wir haben in
letzter Zeit eine Reihe von Einbrüchen in dieser Gegend, bei
denen die Betroffenen allesamt während der Tatzeit im Urlaub
waren. Das scheint uns kein Zufall mehr zu sein, zumindest spricht
einiges dafür, dass dem Einbrecher diese Tatsache nicht
unbekannt sein dürfte. Gibt es Personen, die in Ihre
Urlaubspläne eingeweiht waren?«
»Das ist
vielleicht eine Frage, Herr Kommissar«, bemerkt Dettmar
Hagedorn und schaut grübelnd auf den Boden. »Nein und
ja, würde ich sagen. Einige Freunde von uns natürlich,
engere Verwandte und natürlich Arbeitskollegen, das
Übliche also. Davon hat bestimmt niemand den Einbruch hier
begangen, dafür lege ich meine Hand ins
Feuer.«
»Das würde
ich lieber lassen, Herr Hagedorn. An so
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