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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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kann:
»Was meinst du, Peter, sind das Blutspuren?«
    Hollmann nickt nur,
ohne aufzublicken. Für Swensen ein klares Zeichen, mehr
bekommt er jetzt nicht raus. Er geht zu Mielke hinüber, der
mit dem Ehepaar in der Haustür steht, und stellt sich
dazu.
    »Sie haben
vorhin gesagt, dass der Täter nur Porzellanfiguren gestohlen
hat«, stellt der Oberkommissar fest.
    »Sie sagen so
abfällig nur«, belehrt Hagedorn. »Ich hatte bis
gestern eine stattliche Sammlung, Herr Kommissar. Das waren alles
erlesene Stücke aus der dänischen Manufaktur Bing &
Grøndahl, keins unter 150 zu haben. Die Figur von Hans
Christian Andersen hat mich sogar über 900
gekostet.«
    Mielke pfeift lang
gezogen durch die Zähne. »Und mit dieser Beute ist der
Täter auf die Steinplatten geschlagen?«
    »Und ich bin
auch noch schuld daran«, bestätigt Hagedorn.
»Wahrscheinlich hat keine der Figuren den Sturz
überlebt, zumindest hat es ganz schön
gescheppert.«
    »Haben Sie Fotos
von den Figuren?«, fragt Swensen.
    »Nein, aber die
könnte man bestimmt im Internet finden«, antwortet
Hagedorn. »Aber was soll’s? Hier nützen Bilder
sowieso nichts mehr, ist eh alles
kaputt.«    
    »Wer
weiß«, meint Swensen. »Vielleicht ist ja was heil
geblieben. Wir müssen jede Möglichkeit in Betracht
ziehen.«
    »Ich bin fertig
hier!«, ruft Hollmann. »Wo ist der Kerl denn
rein?«
    »Durch die
Terrassentür«, gibt Hagedorn Auskunft.
    »Können Sie
das meinem Kollegen noch zeigen?«, bittet Mielke. »Wir
sind auch durch. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, hier ist
meine Karte.«
    »Okay, wir
fahren dann«, sagt Swensen zu Hollmann, geht mit dem
Oberkommissar zum Dienstwagen und setzt sich hinters Steuer. Als er
den Motor startet, steht die Tankanzeige im roten Bereich. In
Garding fährt er den Wagen an die nächste Tankstelle, und
nach dem Bezahlen grinst er übers ganze Gesicht.
    »Ist was
passiert, Jan?«, fragt Mielke irritiert.
    »Ich hab grad
die Schlagzeile der Bildzeitung gelesen: Stoiber verliert die
Bundestagswahl!«
    »Klar,
Schröder hat knapp gewonnen! Wusstest du das noch
nicht?«
    »Nee, Mensch!
Das Letzte, was ich gestern im Fernseher mitbekommen habe, war die
Szene, in der Stoiber sich zum Wahlsieger ausgerufen hat. Das war
wohl doch etwas voreilig!«
    *
    Der Weg vor die
Tür ist für Maria Teske mittlerweile eine Form des
Spießroutenlaufs geworden, zumindest empfindet sie es so.
Wenn sie ihre Handtasche greift und sich in Richtung
Eingangstür aufmacht, signalisieren ihr die Blicke der
Kollegen eine vermeintliche Botschaft: Da geht sie wieder! Die ist
einfach nicht in der Lage, auf ihren Glimmstängel zu
verzichten.
    Drei Monate ist es
her, dass Think Big das totale Rauchverbot in den
Redaktionsräumen durchgesetzt hat.
    Gerade Think Big,
denkt sie griesgrämig. Selbst jahrelang Kettenraucher und dazu
der Bluthochdruckkandidat par excellence.
    Natürlich hat ein
Chefredakteur die Macht dazu, darüber hat sie noch nie ein
Wort verloren. Aber die Art und Weise war hochgradig heuchlerisch,
denn sie glaubt bis heute nicht daran, dass seine Anordnung, wie er
es ausdrückte, einzig von der Sorge um das Wohl seiner
Mitarbeiter geprägt war. Maria Teske tippte vielmehr darauf,
dass sein Arzt ihm wegen des zu hohen Blutdrucks ein striktes
Rauchverbot verordnet hatte. Der Chef wollte aus lauter Angst vor
einem Rückfall danach keine Raucher mehr um sich dulden. Und
das Schlimme an der Sache war, dass die letzten Kolleginnen und
Kollegen von der Raucherfront wie auf Kommando auch das Rauchen
aufgegeben hatten.
    So steht sie nun da,
einsam und allein, vor der Eingangstür zur Redaktion der
Husumer Rundschau und hält die schwarz-gelbe Packung Cohiba
Minis fest in ihrer Hand. Die glühende Zigarillo im
Mundwinkel, bläst sie tapfer den blauen Dunst dem blauen
Himmel entgegen und fühlt sich wie die letzte Bastion der
Tabakgenießer.
    Außerdem geht
ihr der ganze Provinzjournalismus im Moment ganz gehörig auf
den Zeiger.
    Erwin
Siebenhüner, wegen dem sie vorübergehend den ungeliebten
Feuilletonteil übernehmen durfte, hatte sich am Morgen mit
triefender Nase und verquollenen Augen wieder auf seinem
Arbeitsplatz zurückgemeldet und war mit der aufgeschlagenen
Zeitung von heute und dem rotumrandeten Artikel über Wiktor
Šemik vor ihrem Schreibtisch erschienen. Der Zeigefinger
pochte mehrfach auf die Überschrift: ›Von Menschen und
Schafen‹, und seine belegte Stimme klang herablassender als
ohnehin bekannt.
    »Was hast du dir
nur dabei

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