Poppenspael
trocken ist, knipst die Taschenlampe an, geht in die
Küche und findet im Kühlschrank ein
›Ducksteiner‹. Auf Anhieb kann er die Schublade mit
dem Besteck aufziehen, und obwohl eine innere Stimme ihn mahnt,
kein Risiko einzugehen, kramt er nach einem Flaschenöffner.
Mit einem zischenden Geräusch löst sich der Kronkorken
vom Flaschenhals und fällt zu Boden. Im selben Moment
hört er das Drehen eines Schlüssels im
Haustürschloss. Er stellt die Flasche auf den
Küchentisch, stürzt ins Wohnzimmer und schnappt die
beiden Stoffbeutel, als er die Haustür aufspringen hört.
Er sitzt in der Falle. Über die Terrassentür raus und
über die Holzwand klettern verwirft er sofort als viel zu
gefährlich. Wenn er nicht schnell genug hinüberkommt,
hätte man ihn. Er steht erstarrt mitten im Raum, kein
rettender Gedanke in Sicht. Im Hausflur geht das Licht an. Er
hört Schritte, die in die Küche gehen. Panik!
Was tun, was tun,
hämmert es in seinem Kopf. Urplötzlich kommt seine
Bewegung zurück. Die Haustür ist offen, das ist der
einzige Ausweg! Er stürmt aus dem Wohnzimmer auf den Flur
hinaus.
»Dettmar,
Dettmar!«, kreischt eine schrille Frauenstimme. »Da war
jemand in der Küche!«
Drei Schritte, er ist
an der Haustür und drückt die Klinke herunter.
»Dettmar, bist
du das?«, zittert die Stimme, um sich gleich darauf in einen
gellenden Schrei zu verwandeln. Im selben Moment, als er die
Haustür aufreißt, tritt ihm ein Schatten in den
Weg.
»Ein Einbrecher!
Vorsicht, Dettmar, da kommt ein Einbrecher«, klebt die
Frauenstimme an seinem Ohr. Er schwingt eine Stofftasche und
schlägt sie der Gestalt an den Kopf. Die sackt ihm mit einem
stöhnenden Laut vor die Füße. Ein zweiter Schrei
zerreißt beinahe sein Trommelfell. Er ist schon über die
am Boden liegende Person hinweggetreten, als eine Hand sich an
seinem linken Fuß festklammert und ihn aus dem Gleichgewicht
bringt. Er stürzt vornüber auf den Gehweg, sein Gesicht
schlägt auf die Steine, und mit einem klirrenden Geräusch
folgen die beiden Stofftaschen nach. Er tritt mit dem Bein nach
hinten und trifft. Der Griff lockert sich, er rappelt sich hoch und
rennt halb stolpernd auf die Straße hinaus. Ungeahnte
Kräfte lassen seine Beine förmlich kreisen. Das Herz
schlägt ihm bis zum Hals, als er an der Dorfstraße
ankommt. Er hält kurz inne und blickt zurück, niemand
verfolgt ihn. Der keuchende Atem beruhigt sich nur langsam. Er
versucht, im Dunkel der Häuser und Bäume zu bleiben und
schleicht bis vor die Kirche. Eine Berührung am Ohr lässt
ihn zusammenfahren, doch es ist nur ein Blatt, das von einem Baum
herabgesegelt kam. Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn.
Der Wagen steht einsam auf dem Parkplatz. Er sprintet hinüber,
klemmt sich hinters Steuer, startet den Motor und fährt davon,
ohne das Licht einzuschalten.
Jetzt nur nicht nach
Garding, denkt er. Die haben sicher schon die Bullen angerufen, und
die kommen genau aus der Richtung. Und bloß nicht
unnötig in der Gegend rumkurven. Wer weiß, wo die Bagage
sich überall auf die Lauer legt. In der Nacht entgeht ihnen
kein Wagen, und mit meinem zerbeulten Gesicht bin ich eine sichere
Beute.
Er drückt aufs
Gas, rast von der Hauptstraße nach links in Richtung
Eidersperrwerk, biegt aber vorher auf die Nebenstraße nach
Tating. Zehn Minuten später stellt er den Wagen neben der
baufälligen Halle einer ehemaligen Fabrik ab. Die
Abschürfungen im Gesicht brennen wie Feuer, während das
Blut in der Stirn pocht. Mit schmerzenden Gliedern kriecht er auf
den Rücksitz, rollt sich zusammen und versucht einzuschlafen.
Durch das Seitenfenster scheint der Mond herein. Immer wenn er
gerade einzunicken beginnt, glaubt er ein Geräusch zu
hören und lugt ängstlich aus dem
Rückfenster.
In den Morgenstunden
wird es empfindlich kalt. Nebelschwaden ziehen über den
Innendeich. Er klettert aus dem Wagen, pinkelt und versucht sich
durch kurze Sprünge warm zu machen. Nach 8 Uhr scheint die
unmittelbare Gefahr überstanden zu sein. Der Berufsverkehr
dürfte eingesetzt haben, und die Wahrscheinlichkeit, noch in
eine dieser Straßenkontrollen zu geraten, tendiert gegen
null.
Bevor er den Wagen
startet, nimmt er die beiden Stofftaschen vom Beifahrersitz und
greift hinein. Wie nicht anders erwartet, scheinen die meisten
Porzellanfiguren zerbrochen zu sein.
Alles für die
Katz, denkt er ärgerlich und fährt den Wagen über
die Nebenstraße nach Tönning. Von hier aus benutzt er
die Hauptstraße
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