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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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daraufhin an, seine Waldsamenwurzeln zu betonen, und zählte seine Ahnen einen nach dem anderen auf, um dann in einem eher provozierenden Tonfall zu fordern, dass Leipä seine Abstammung bezeugen sollte. Schließlich einigte man sich auf einen Kompromiss. Erkki sollte als Repräsentant der Waldsamen von Sattajärvi teilnehmen, und seine Aufgaben als Wettkampfaufsicht sollten von mir und Niila übernommen werden.
    Sofort begannen wir mit der Verteilung des Getränks. Ich schenkte aus dem Kanister ein, während Niila die Becher reichte. Alle tranken unter kompaktem Schweigen zügig aus. Die nächste Runde folgte sogleich. Ein eifriges Schlürfen und Schlucken. Becher Nummer drei. Als auch der geleert war, wurde eine Pause fürs Rülpsen und Nachschieben von Snus angeordnet. Alle schielten ihre Nachbarn an und murmelten, eine dünnere Pissmaische müsste man lange suchen, so was tränken die Babys in ihrer Heimatstadt schon in der Nuckelflasche. Die Schlachtenbummler und die Beobachter bettelten um eine Geschmacksprobe und bekamen sie. Ich selbst nahm einen Schluck und bekam eine rohe Kartoffel in den Hals. Es schmeckte nach Hefeteig und war höllisch stark.
    Jetzt fingen die Leute ungeduldig an, mich an meine Aufgabe hier in diesem Jammertal zu erinnern, also zog ich den nächsten Kanister heran und öffnete ihn. Im Namen der Gerechtigkeit versuchte ich die Becher so gleich wie möglich zu füllen, während Niila kontrollierte, ob auch alle austranken. Die Stimmung wurde immer besser. Plötzlich brach ein eifriges Brabbeln auf Tornedalfinnisch aus. Am glücklichsten war wohl Erkki, der nur gnadenhalber dabei sein durfte, er fing an, allen persönlich mit Handschlag zu danken, bis Leipä ihn bat, doch die Schnauze zu halten und die Wettkampfkonzentration nicht weiter zu stören.
    Wie immer brachte der Rausch die überraschendsten Persönlichkeitsveränderungen mit sich. Der Korpilombolojunge strahlte plötzlich wie ein Honigkuchenpferd und erzählte schweinische Witze von Schulreferendaren. Der aus Junosuando bekam eine scharfe Falte zwischen den Augen und redete von der großen Nazidichte in den 30er-Jahren in gewissen nahe gelegenen Orten, bis der Junge aus Tärendö endlich den Wink verstand und aggressiv die Dorftrottelstatistik von Junosuando hervorhob. Lainio schüttelte plötzlich seine Schüchternheit und Frömmigkeit ab und schlug eine Partie Ein-Kronen-Poker vor. Kaunisvaara wollte spöttisch wissen, seit wann die Laestadianer denn solchen Hobbys frönten. Muodoslompolo setzte eine geheimnisvolle Miene auf und deutete etwas von einer Abstammung von inkognito reisenden französischen Sprachvirtuosen des 18. Jahrhunderts an. Torinen erklärte, dass, so weit er gehört hatte, die Gegend von Muodoslompolo eher für seine blutigen Familienfehden und seine bis zur Vollendung entwickelte Inzucht bekannt sei. Leipä bat wiederum alle, das
    Maul zu halten, woraufhin alle ihre Kommentare zu Pajalan piksipokat abgaben und über so ein modernes Gefasel wie Gemeindezusammenlegungen, was besagte Zentralsnobs aus Pajala in den Glauben versetzte, etwas zu sein.
    Nach zwei weiteren Bechern wurde die Stimmung noch gereizter. Gleichzeitig wurden die Argumente unbekümmerter und die Aussprache ungenauer. Der einzige noch Frohgesinnte war Korpilombolo, der plötzlich aufstand. Er entschuldigte sich vielmals, aber er müsse einfach abbrechen, weil er so eine unbändige Lust aufs Bumsen habe, und wollte gern wissen, ob wir nicht ein vorurteilsfreies Mädchen in Pajala kannten. Erkki beschrieb ihm genau den Weg zu einer pensionierten, unverheirateten Mathematiklehrerin und wünschte ihm verschmitzt viel Glück. Die Übrigen hatten beschlossen, sich zu prügeln, aber vorher musste man noch pissen und wütend werden. Doch nach dem Pinkeln wurden alle von einem quälenden Flüssigkeitsmangel überwältigt, dem Niila und ich sofort abhelfen mussten.
    Die Augenlider hingen jetzt auf halbmast. Die Zunge wurde immer größer im Mund. Die Maischefurze erfüllten den Raum mit ihrem sauren Sumpfgas. Junosuando und Tärendö wechselten ein paar ungenaue Faustschläge, fielen einander anschließend in die Arme und schliefen übereinander liegend ein. Muodoslompolo musste laut über den Anblick lachen, bis er sich einen leeren Maischekanister schnappte und hineinkotzte. Lautstark forderte er, der Wettkampf solle fortfahren, bis auch er einschlief, im Sitzen, mit schaukelndem Kopf. Kaunisvaara schnaufte voller Verachtung über diese

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