Populaermusik Aus Vittula
noch anheben, aber die Schluckbe-wegungen nicht mehr ausführen, und war deshalb gezwungen, nur langsam nachzugießen, damit es von allein die Kehle hinuntergluckerte. Ich schlug vor, den Sieg zu teilen. Worauf die Kaunisvaarafans sich lauthals empörten, dass so eine Feigheit nicht tragbar sei und dass kein Pajalaintrigant ihnen ihre selbstverständliche Meisterschaft rauben könnte.
Ich verteilte neue Becher. Sie wurden in gleicher Weise geleert. Ich stellte, inzwischen ernsthaft beunruhigt, fest, dass beide bewusstlos waren und dass der Sieg geteilt werden müsse. Die Kaunisschlachtenbummler zogen die Augenlider ihres Helden hoch und zeigten mir, dass die Pupillen überhaupt nicht nach oben verdreht waren, ganz im Gegenteil brannten sie immer noch vor Wettkampfeifer. Leipä wurde die Frage ins Ohr geschrien, ob er weitermachen wolle, und gebeten, in diesem Fall den Mund zu öffnen. Er riss den Mund auf, und die Teilnehmer absolvierten eine weitere Runde.
Als auch dieser Becher geleert war, war auch das letzte Lebenszeichen erloschen. Zupackende Wiederbelebungsversuche wurden auf beiden Seiten unternommen. Leipä rutschte in eine unbequeme Haltung zusammen und der Kaunisvaarajunge sabberte mit ausgestreckter Zunge. Auf meinen Rat hin wurden beide in die stabile Seitenlage gedreht, wobei entdeckt wurde, dass sie beide einen nassen Hintern hatten.
Erkki bat heftig nuschelnd um Nachschlag. Genau wie bei seinem Bruder schlug sich der Suff vor allem auf die Sprache nieder, aber ich konnte trotzdem verstehen, was er wollte, und bediente ihn. Er trank aus und behauptete daraufhin in einem Finnisch mit vielen fremden Lauten, dass die Gemeindemeisterschaft im Saufen von den Waldsamen aus Sattajärvi errungen worden sei.
Die Schlachtenbummler aus Kaunisvaara und aus Pajala starrten mich an. Ich wiederum starrte Niila an. Dieser nickte und erklärte, dass dies stimme. Erkki hatte einen Becher mehr als alle anderen getrunken. Erkki kicherte und erklärte breiig, dass er noch nie in seinem ganzen Leben so blau gewesen sei. Und ob nun Sozi oder Kommunist, darüber musste noch nachgedacht werden, aber jetzt müsse er erst einmal pissen.
Niila und ich halfen Erkki durch die Dachluke hinaus. Die Kaunisvaarafans saßen niedergeschlagen da, fingen an, ihren Kummer im Schnaps zu ertränken, und sprachen über die letzten Herbstselbstmorde. Die Pajalajungs stellten fest, dass Leipä gekotzt hatte, und säuberten ihm den Mund, damit er nicht erstickte. Ein süßsaurer Geruch verriet, dass der Maischedurchfall bereits eingesetzt hatte. Der gefallene Kaunisvaara sah beunruhigend blass aus, schien aber von seinem starken Skiläuferherz Hilfe zu bekommen. Die anderen schnarchten wie die Schweine mit offenen oder geschlossenen Augen, glücklicherweise nichts vom nächsten Tag ahnend.
Vor dem Klärwerk stellte Erkki sich hin und malte die Herbstnacht mit dampfendem Pinselstrich. Ich gratulierte ihm herzlich und hatte plötzlich eine Idee. Ich erklärte feierlich, dass Erkki als Jugendmeister hiermit den Überraschungspreis entgegennehmen könne, nämlich einen Platz als Drummer in der viel versprechendsten jungen Rockband des Ortes.
Niila öffnete den Mund, sagte aber nichts, nachdem ich ihm in die Seite geknufft hatte. Erkki erklärte, dass er ein Schlagzeug höchstens mal auf einem Foto gesehen habe. Ich beruhigte ihn und versicherte, dass er ja wohl einen Trommelschläger in der Hand halten könne, wenn er seinen Pimmel steuern könne. Erkki fing an zu lachen, dass der Strahl an mehreren Stellen abbrach, und damit war die Sache klar.
Am folgenden Montag in der Mittagspause war dann der genaue Zeitpunkt, an dem unsere Rockband gegründet wurde. Es wurde aus mehreren Anlässen ein äußerst erinnerungswürdiger Tag. Obwohl zwei Tage seit dem Wettkampf vergangen waren, hatte
Erkki immer noch einen Kater. Was aber nichts gegen seinen Bruder Leipä war, der zwischen den Brechreizanfällen immer wieder Abstinenzversprechen abgab und sie tatsächlich mehrere Wochen lang hielt. Der Kaunisvaarajunge bekämpfte seine Übelkeit mit einem eisernen Trainingsprogramm, bei dem er in den Gummistiefeln seines Vaters, die er mit Steinen als Gewicht im Schaft beschwert hatte, über die großen Moore lief, mehrere Lasten abwechselnd auf dem linken und rechten Arm schleppend; außerdem fuhr er mit abmontiertem Sattel auf dem Fahrrad nach Pajala, damit er sich nicht unnötig ausruhen konnte, wobei er nur jedes zweite Mal atmete, um seine Lunge zu
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