Populaermusik Aus Vittula
sollte in Pajalas alter Kläranlage stattfinden. Sie lag zu der Zeit unten am Flussufer, nicht weit von der Kirche entfernt, in einem roten Klinkergebäude, umgeben von einem leichten, aber deutlichen Scheißegeruch. Gerade aus diesem Grund war dieser Ort zum zentralen Punkt für die Maischeproduktion der Jungs des Viertels geworden. Durch eine Dachluke hatten sie sich auf den Dachboden geschlichen und eine ruhige Ecke gefunden, in der die Kanister in aller Ruhe gluckern konnten, während der Hefegeruch von den Kloakenodeurs überdeckt wurde.
Da ich die Paskajänkkäbrüder kannte, half ich bei den Vorbereitungen mit, gegen das Versprechen, dass Niila und ich den Wettkampf bezeugen durften. Wir schleppten Kanister und füllten Wasser hinein, während das Rezept selbst von den versierteren Personen zusammengestellt wurde. Backhefe und Zucker, und in einigen Gefäßen außerdem Kartoffeln und Rosinen. Das Ganze musste ein paar Wochen gären, um das angemessene Aroma und die richtige Stärke zu bekommen. Destillieren war nichts für die Paskajänkkäjungs. Drei aus dem Viertel hatten zwar schon mal HiLaGu-Schnaps hergestellt, getauft nach den Vornamen der Beteiligten mit selbstverfertigten Etiketten und allem, aber der Fuselgehalt hatte die Nackenhaare zum Sträuben gebracht. Der eher technisch interessierte ältere Bruder hatte auch schon mal einen Versuch mit einer Anordnung gemacht, die heimlich in der Fachschule zusammengeschweißt worden war. Er hatte sie auf eine Kochplatte in der Garage gestellt, aber aufgrund einiger undichter Verbindungen hatten sich die Ethandämpfe entzündet, und der ganze Kram war explodiert. Im Krankenhaus erklärte er die umfassenden Brandwunden damit, dass der Kartoffeltopf vom Herd gefallen sei und der Hefegeruch in seiner Kleidung komme vom Nudelwasser seiner Mutter, das er über sich gekippt habe, um die Haut abzukühlen. Als Erinnerung daran wurde er danach nur Leipä, Brotlaib, genannt und hatte einen roten, rauen und haarlosen Unterarm.
Die Brüder waren sich nach diesem Unfall einig gewesen, dass das Destillieren albern sei, eine unnötige, lächerliche Prozedur, die den Geschmack verschlechterte und die wertvollen B-Vitamine zerstörte. Ein richtiger Mann konnte ja wohl Maische ab, und das war die Grundbedingung für die Teilnahme.
Man wartete bis zum Abend, nachdem die nichts Böses ahnenden Kläranlagenarbeiter nach Hause gegangen waren. Im Schatten der Abenddunkelheit kletterten ungefähr zehn Jungs durch die Dachluke und versammelten sich in dem nach Scheiße riechenden, schmutzigen Vorratsraum im oberen Stock. Alle Teilnehmer ließen sich im Kreis auf dem Boden nieder. Misstrauisch beäugten sie einander.
Der Korpilombolojunge hatte Pickel auf der Stirn und sah mit seinem in die Augen hängenden schwarzen Pony sehr melancholisch aus. Der Junosuandojunge kicherte die ganze Zeit mit vorstehender Unterlippe, wie es Leute aus diesem Teil der Gemeinde oft taten. Der Tärendökerl hatte ein Grübchen im Kinn und eine tropfende Kartoffelnase. Der Muodoslompolo-vertreter hatte eine braungelockte Schafsfrisur und spuckte vor lauter Nervosität die ganze Zeit aus. Pajalas Abgesandter war also Leipä mit niedrigem Haaransatz und eisblauem, leicht schielendem Blick. Außerdem nahmen noch ein paar Jungs aus den umliegenden Dörfern teil. Der Junge aus Lainio war blass und sah christlich aus mit scheuen, großen Tieraugen. Der Torinenjunge hatte riesige Waldarbeiterhände an seinen unproportional zarten Pubertätsunterarmen und eine so grobporige Nase, dass sie aussah, als wäre sie von Kriebelmücken bedeckt. Kaunisvaaras Auserwählter, der Jüngling, der mit seiner Favoritenstellung prahlte, war einer der besten Skilangläufer der Gegend, ein schmallippiger, vorgebeugter Dickkopf, der sich schon als Vierzehnjähriger einen elften Platz im Malmlauf erstritten hatte und ein Lungenvolumen besaß, das einem aufgepumpten Traktorreifen entsprach. Außerdem waren noch eine Hand voll Beobachter dabei, die überprüfen wollten, dass alles mit rechten Dingen zuging.
Leipäs kleiner Bruder, er hieß Erkki und ging in die Achte, öffnete feierlich den ersten Kanister. Er war ziemlich klein, aber mit kräftigem Körperbau, bekannt für seine dummdreiste Schlagtechnik. Beim Anblick der schäumenden Flüssigkeit wurde er so scharf drauf, dass er beantragte, als Nachzügler beim Wettkampf teilnehmen zu dürfen. Alle lehnten das ab, da Pajalas Teilnehmerquote bereits erfüllt war. Erkki fing
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