Populaermusik Aus Vittula
stärken.
Erkki wollte zunächst einen Rückzieher machen, als ihm klar wurde, dass das Trommelspiel mit zwei Schlägern vonstatten ging. Das waren doppelt so viele, wie er erwartet hatte. Aber schließlich ließ er sich doch widerstrebend hinter dem Schlagzeug der Schule nieder, packte die Schläger wie Äxte und begann dann grobschlächtig unter den Pauken abzuholzen. Sie wurden wie von einem Tornado gefällt, das Stativ, die Becken und der ganze Mist. Erkki blieb sitzen. Schaute eine Weile starr in die Luft. Und behauptete dann felsenfest, dass sein Kater besser geworden sei. Verwundert brachte er alles wieder in Ordnung und machte einen zweiten Versuch mit dem gleichen zerstörerischen Resultat. Und jetzt verschwanden die Kopfschmerzen fast völlig. Sehr merkwürdig. Wenn er nur noch eine Weile weiterspielen konnte, würden sicher auch das Zittern und Schwitzen sich legen.
Ich versuchte mit dem Bass einen Puls unter seinen unergründlichen Rhythmus zu legen, Niila und Holgeri verklebten das Luftloch mit den Gitarren. Über die Tonart sagten wir lieber nichts, irgendwie waren wir nicht auf derselben Wellenlänge. Erkki schien uns andere gar nicht zu bemerken, seine Augen schielten, er streckte die Zunge raus und machte sonderbare Mundbewegungen. Schon von Anfang an hatte er also das idiotische Aussehen, das so viele Drummer kriegen, wenn sie spielen, obwohl sie ansonsten ganz normal aussehen.
Ohne Vorwarnung hörte Erkki plötzlich mitten in Holgeris Gitarrensolo auf und zog sich den Gürtel enger. Wir kamen aus dem Takt und brachen ebenfalls ab. Erkki erklärte, dass die Sache mit der Rockmusik das Tollste sei, was er je ausprobiert habe, inklusive der Saufkunst und der Selbstbefleckung. Er konnte sie aber nicht mit den behaupteten Freuden des Geschlechtsverkehrs vergleichen, da diese Erfahrung noch nicht gemacht worden war, aber vermutlich waren diese sowieso unbedeutend, da er schon immer den Verdacht gehabt hatte, dass von der Fotze doch viel zu viel Aufhebens gemacht wurde.
Ich bat ihn, es noch einmal zu versuchen, aber diesmal in einem gleich bleibenden Rhythmus. Erkki zögerte, fing dann aber doch wieder an. Das Ergebnis war noch schlimmer, ein teuflischer Lärm. Holzspäne splitterten von den Trommelstöcken ab, die Bespannung bekam Dellen, die Stativschrauben lockerten sich, dass die Teile auseinander fielen. Ich schaute Niila an. Er schüttelte den Kopf. So einen arhythmischen und überwältigenden Lärm hatten selbst wir niemals auch nur annähernd zustande gebracht. Holgeri hatte bereits seine Gitarre abgestöpselt und war dabei einzupacken. Niila machte es ihm nach. Ich selbst versuchte auf eine Idee zu kommen, wie wir Erkki los wurden, ohne dass dieser sauer wurde. Ich konnte behaupten, der Siegerpreis gelte nur einen Tag lang. Das wäre das Beste. Alles andere war ein Missverständnis.
Aber Erkki kam uns zuvor. Er stand auf, bevor ich etwas sagen konnte, und sprang mit einem »Bis bald!« durch die Saaltür hinaus.
Kurz danach hörte ich draußen ein höhnisches Lachen. Tief und triumphierend. Ich sah durch die Türöffnung, wie Erkki von Uffe und seinem Kumpel Jouko festgehalten wurde. Mehrere seiner Bewunderer standen dabei. Ein paar von ihnen stürzten sich auf Holgeri und drückten ihn mit einem Würgegriff nach unten.
»Na, ihr blöden Kaninchen!«, fauchten sie.
Ich wurde von der Angst überwältigt. Mein Magen verkrampfte sich, die Adern zogen sich vor der Attacke zusammen. Die Ungewissheit war immer das Schlimmste. Nie zu wissen, wie weit sie diesmal gehen würden. Wie viele blaue Flecken? Wie viele Schmerzen? Wie lange würde es dauern, bis Greger kam?
Draußen war ein Schrei zu hören. Laut und schrill. Was zum Teufel machten sie mit Erkki? Sie hatten doch wohl keine Messer?
Eine Sekunde lang wollte ich nur noch sterben. Dann sah ich, wie sie über den Boden krochen. Jouko zwinkerte in einem fort, während Blut aus seiner fleischroten, gespaltenen Augenbraue schoss. Uffe ruderte herum und fegte sabbernd die Reste seiner Vorderzähne zusammen.
Die Handlanger wichen zurück, weiß vor Schreck. Erkki stolperte zurück in den Saal, das Blut tropfte ihm von der Unterlippe und dem Kinn.
»Die fassen uns nicht wieder an«, erklärte er ruhig.
KAPITEL 15
- in dem sich nach dem samstäglichen Saunagang das Zungenband löst und was jeder junge Mann
wissen sollte.
In unserer Familie gingen wir jeden Samstagabend in die Sauna, eine Tradition, die sicher bis in heidnische Zeiten
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