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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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fünfzig Kronen aus der Clubkasse als Gage.
    »Willst du nach Pajala?«
    Das war die Schwarzhaarige. Wir standen vor dem Haus auf der Treppe, sie zog ihren Jackenkragen ein wenig hoch.
    »Soll ich dich mitnehmen?«, fuhr sie fort.
    Ein Nicken zur Straße hin. Ich stand auf und folgte ihr zögernd. Bei einem schwarzglänzenden Volvo PV blieb sie stehen.
    »Gehört meinem Vater.«
    »Flottes Auto«, sagte ich.
    Im nächsten Moment waren wir unterwegs. Der Sitz fühlte sich kühl unterm Hintern an, der Atem beschlug die Windschutzscheibe. Ich schaffte es, die Lüftung einzuschalten, und drehte die Heizung in der einsetzenden Spätwinterdunkelheit an. Ein entgegenkommendes Auto hupte laut und blinkte auf. Sie suchte eine Weile zwischen den Schaltern, bis sie den Regler für die Scheinwerfer gefunden hatte und abblendete.
    »Du bist doch noch keine Achtzehn?«
    Sie gab keine Antwort. Lehnte sich im Sitz zurück, die Hand auf dem Schaltknüppel. Sie hielt sich in der Mitte der Straße, die vereiste Fahrbahn raste unter uns hinweg, die Schneewälle glitzerten zu beiden Seiten im Scheinwerferlicht. Draußen auf dem Moor lag die Schneekruste blau und hart.
    »Macht es Spaß, Kommunist zu sein?«, wollte ich wissen.
    Sie versuchte, an den Radioknopf zu kommen. Das Auto steuerte langsam auf den Graben zu. Ich quiekte kurz auf, sie lenkte den Wagen mit einem Ruck wieder gerade.
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte sie. »Ich bin schon oft gefahren.«
    Sie nahm die alte Straße von Autio nach Pajala. Auf der langen geraden Strecke am Anfang drückte sie das Gaspedal bis auf den Boden durch. Der Motor drehte sich und heulte, die Geschwindigkeit stieg wie Fieber. Die Luft legte ihre Eishaut über Karosserie und Scheiben, zog flach und kalt über das gewölbte Wagendach.
    »Hier gibt es oft Rentiere«, sagte ich.
    Sie lachte und fuhr nur noch schneller. Ich begriff, dass es ihr gefiel, mir Angst einzujagen. Wenn ich mich jetzt anschnallen würde, wäre es ihr geglückt. Stattdessen rollte ich mich zusammen und versuchte ganz entspannt zu wirken, während ich am Waldrand entlangspähte, bereit, sofort auf eine Kollision zu reagieren.
    Nach vielen Mühen bekam sie einen finnischen Sender rein. Tango in Moll, eine Frau, die von Liebe und Trauer sang. Das Auto holperte über Eisbuckel und durch Kurven und ließ eine wehmütige Rauchwolke hinter sich. Ein Herz, das in der kalten Landschaft ausgeschüttet wurde, eine Blutspur. Ich schaute heimlich zu dem Mädchen hinüber. Konnte ihr Profil im Dunkel erkennen, die Rundung ihres Kinns, die vollen Lippen, die plump hochragende finnische Nase. Ich bekam Lust, sie ein bisschen anzufassen. Mit ihr zu kuscheln.
    »Was kann man in Pajala machen?«, fragte sie.
    »Weiß der Teufel«, antwortete ich.
    Wir waren schon auf der Höhe von Manganiemi und sausten kurz danach über die alte Brücke hinweg. Die Lichter der Stadt brachen durch den Wald hindurch, ein weißes Glitzern breitete sich über das Flussufer aus. Sie gab Gas, obwohl uns ein Scania Vabis auf der engen Brückenfahrspur entgegenkam. Wir strichen so dicht aneinander vorbei, dass nicht einmal ein Haparandabladet zwischen uns Platz gehabt hätte. Der Lastwagen hupte wütend, aber das Mädchen verzog keine Miene.
    »Gibt’s heute Abend Kino?«
    Ich nahm es nicht an. Was gab’s dann sonst zu tun? Mir fiel ein Klassenkamerad ein, der Kaninchen im Heizraum hatte. Er fütterte sie immer mit dem halbverrotteten Gemüse vom Konsum, das sonst weggeworfen wurde. Manchmal konnte man zugucken, wie die Kaninchen bumsten. Aber das war bestimmt zu kindisch, entschied ich.
    »Wir können in Pajala dem IF beim Eishockeytraining zugucken. Sie haben am Wochenende ein Punktspiel gegen Öta-Kuiva.«
    Ich sagte ihr, wie sie fahren sollte, zunächst gerade aus, dann an Arthurs schuhkartonähnlichem Kaufladen rechts ab und weiter zum Zentrum, die kleine Geschäftsstraße mit Harjuhahto-Schuhladen, dem Papiergeschäft und Larssons Herrenfrisör, Wennbergs Bäckerei, Mikaelssons Kiosk und Lindqvists Konditorei entlang. An der Schule bogen wir ab und suchten uns den Weg zum Hockeyfeld. Dort parkten wir das Auto, das endlich warm geworden war, und folgten einem Trampelpfad durch den Schnee zum Eishockeyfeld.
    Dort war schwer was los. Gepanzerte Kerle in gelbschwarzen Hemden, die wie Riesen aussahen und in einem Kreis um die ganze Bahn herum Rückwärtsfahren trainierten. Der Trainer Stenberg, ein zugezogener, bärtiger Polizeiassistent, blies in die

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