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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Gartenhäuschen auf einem Grundstück Platz finden. Und alles kann wieder von vorn anfangen. Und die Ehe wird wieder von etwas Heißem, etwas Ruhigem erfüllt, von etwas, was vielleicht sogar Liebe genannt werden könnte.
    Unsere Rockmusik war etwas ganz anderes. Sie brachte definitiv keinen Nutzen. Niemand sah einen Wert in ihr, nicht einmal wir selbst. Niemand brauchte sie. Wir spielten ganz einfach, wir öffneten unsere Herzen und ließen die Musik hinausströmen. Die Alten sahen das als Zeichen von zu viel freier Zeit und des Verwöhntseins an, des Überflusses und des Müßiggangs, die in den modernen Zeiten herrschten. So etwas kam heraus, wenn die Jugend nicht zur Arbeit herangezogen wurde. Es entstand ein Überschuss. Eine überschüssige Energie, die herumwirbelte und den Blutdruck hoch trieb.
    Anfangs diskutierte ich oft mit Niila, ob unsere Rockmusik als knapsu angesehen werden könnte. Das Wort ist tornedalfinnisch und bedeutet weibisch, also etwas, was nur die Frauen so machen. Man kann sagen, dass die männliche Rolle in Torneda-len in erster Linie auf einem Punkt beruhte. Nicht knapsu zu sein. Das klingt einfach und selbstverständlich, aber wird durch verschiedene Spielregeln komplizierter, die zu lernen man oft Jahrzehnte braucht, eine Tatsache, die besonders aus Südschweden zugezogene Männer schmerzhaft erfahren müssen.
    Gewisse Beschäftigungen sind von Grund auf knapsu und sollten deshalb von Männern vermieden werden. Dazu gehört Gardinenaufhängen, Stricken, Teppiche weben, mit der Hand melken, Blumengießen und Ähnliches. Andere Tätigkeiten sind ebenso klar als männlich definiert wie Holzfällen, die Elchjagd, mit Baumstämmen zimmern, flößen und sich auf dem Tanzboden prügeln. Seit alten Zeiten ist die Welt zweigeteilt, und alle wussten immer schon, was wie einzuschätzen ist.
    Aber dann kam der Wohlstand. Und mit ihm Hunderte neuer Tätigkeiten und Aufgaben, die den Begriff verwässerten. Nachdem der Knapsu-Begriff sich in jahrhundertelangen, unbewussten Prozessen in der Volksseele entwickelt hatte, griffen jetzt plötzlich die Definitionen nicht mehr. Höchstens noch in bestimmten Bereichen. Motoren sind beispielsweise männlich. Und kraftstoffbetriebene Motoren sind männlicher als elektrische. Autos, Schneescooter und Motorsägen sind also nicht knapsu.
    Aber darf ein Mann auf einer elektrischen Nähmaschine nähen? Sahne mit einem elektrischen Mixer schlagen? Die Kühe mit der Melkmaschine melken? Die Geschirrspülmaschine ausräumen? Kann ein richtiger Mann sein Auto staubsaugen, ohne dabei seine Ehre aufs Spiel zu setzen? Das sind Fragen, die zu klären sind.
    Noch schwieriger ist es mit anderen neumodischen Dingen. Ist es beispielsweise knapsu, Halbfettmargarine zu essen? Eine Standheizung im Auto zu haben? Sich Haargel zu kaufen? Zu meditieren? Mit Schwimmbrille zu schwimmen? Pflaster zu benutzen? Hundescheiße in die Plastiktüte zu tun?
    Außerdem wechseln die Regeln von Ort zu Ort. Hasse Alatalo aus der Gegend von Tärendö erzählte mir, dass es in seiner Heimatstadt aus irgendeinem Grund als knapsu angesehen wird, den Rand der Gummistiefel umzukrempeln.
    Von diesen Dingen ausgehend können wir die Männer in drei Kategorien einteilen. Zunächst einmal haben wir da den richtigen Macho. Oft ein Typ irgendwo vom Lande, mürrisch, schweigsam und verkniffen, das Messer im Gürtel und Grobsalz in der Tasche. Sein Gegensatz ist genauso einfach zu erkennen, der weibische Mann. Der ist ganz offensichtlich knapsu, verhätschelt von den großen Schwestern und untauglich sowohl fürs Holzfällen als auch für die Jagd. Dafür hat er oft eine gute Hand bei Tieren und auch bei Frauen, abgesehen vom Sexuellen, und deshalb wurden aus solchen Memmen früher oft Heiler oder Blutstiller.
    Die dritte Gruppe von Männern ist das große Mittelfeld. In das auch Niila und ich gehörten. In ihm wird der Knapsu-Grad von den eigenen Taten bestimmt. Es kann eine so unverfängliche Sache wie das Tragen einer roten Mütze genügen. Dafür kann man dann noch wochenlang gehänselt werden, ist gezwungen zurückzuschlagen, sich zu rächen und todesverachtende Rituale auszuführen, bis man sich endlich wieder aus dem Knapsu- Sumpf herausgezogen hat.
    Rockmusik wird nun erwiesenermaßen oft von Männern gespielt. Die Ausstrahlung ist aggressiv männlich. Ein Außenstehender würde deshalb sofort sagen, dass Rockmusik nicht knapsu ist. Dagegen spricht aber, dass dieses Klimpern kaum als richtige Arbeit

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