Populaermusik Aus Vittula
einer Standuhr herausschnitzen konnte, oder den Waldarbeiter, der nach einem Motorstopp seinen Schneescooter neun Kilometer weit mit einer Mischung aus Herzmedizin und Selbstgebranntem fuhr, oder die Alte, die dreißig Kilo Moltebeeren ohne Eimer in ihrer raffiniert geknoteten Unterhose gepflückt hatte, oder den Junggesellen, der in dem Sarg seines Bruders den Jahreszigarettenvorrat über die Grenze hatte schmuggeln können, da der Bruder nun schon mal auf der finnischen Seite gestorben war, oder die Schmugglerwitwe, die einen Motor so fein säuberlich zerteilt hatte, dass die Söhne ihn in Tüten auf dem Fahrradgepäckträger durch den Zoll nach Schweden bringen konnten, wo er wieder in lebendigen Zustand zurückversetzt und anschließend mit gutem Gewinn verkauft wurde. Aber Letzteres hatte sich natürlich in den Vierzigern ereignet, als ich noch nicht geboren war.
Ein Beispiel für Tornedalsche Kreativität waren die Fischfanatiker. All die Kerle, die nur leben, um ins Eis zu bohren, zu spinnen, mit dem Blinker oder dem Senker zu angeln, die den ganzen Winter über Fliegen binden, die die Taschen voll haben mit Libellen, Motten und blinden Kriechtieren, die lieber angeln, als Geschlechtsverkehr zu treiben, die vierzehn Leinenknoten können, aber nur eine Beischlafstellung, die für jedes Kilo Lachs, das sie fangen, tausend Kronen hinlegen, statt ihn für ein Bruchteil des Geldes im Konsum zu kaufen, die lieber in undichten Gummistiefeln herumstehen, als das Mittsommerfest mit ihrer Familie zu feiern, die den Nachtschlaf stören, die Ehe zerrütten, denen der Job gekündigt wird, die sich einen Scheißdreck um Hygiene scheren, ihre Hütte mit Hypotheken belasten und die Kinder vernachlässigen, wenn sie nur hören, dass es bei Jokkfall Wuhnen gibt.
Eine genauso perverse Gruppe sind die Tornedalschen Hausbauer. Ausweichende Kerle, unkonzentriert im Gespräch, rastlos, ungeduldig, mit flackerndem Blick. Sie werden erst zu normalen Menschen, wenn sie den Hammer in der Faust spüren, dann können sie sogar zu ihrer Frau ganz normale Dinge sagen, die Mundwinkel voller Nägel. Verdammt, was so ein Kerl alles im Laufe seines Lebens bauen kann! Rauchstubenhaus und Viehstall, in die Hände geklatscht und fertig! Sauna und Abtritt, im Handumdrehen hingestellt! Holzschuppen und Scheune, krawumm und zack! Vorratshaus, Speicher, holla, wie das klappt! Und dann noch eine Garage, eine Hundehütte, ein Fahrradschuppen und das Spielhaus für die Kleinen.
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt stellt die kommunale Bauaufsicht fest, dass das Grundstück voll ist. Worauf der Mann unausstehlich wird, sauer wie Essig, er fängt an die Kinder anzuschreien, säuft, liegt schlaflos da, verliert sein Haar, tritt den Hund, bekommt Seh- und Hörstörungen, und von einem Arzt aus Gällivare wird ihm Valium verordnet, bis es die verzweifelte Ehefrau schafft, ein unbebautes Grundstück zu erben.
Und dann kann er von vorn anfangen.
Ferienhaus, Sauna, Abtritt, Holzschuppen, Hundehütte. Und nach einer kurzen Atempause Bootshaus, Erdkeller, Gästehaus, Geräteschuppen, Terrasse und eine Kuschelecke für die Kinder. Dann all die Anbauten. Den Kamm geschwellt die ganzen Ferien über, hämmern und nageln, dass es nur so kracht.
Aber die Jahre vergehen, und schließlich ist es unweigerlich fertig gebaut. Die Führungskräfte der Baubehörde sitzen verkniffen in ihren Amtsstuben und studieren Luftfotos. Und der Mann wird so ungenießbar, dass es schon zum Fürchten ist, die Frau überlegt bereits, ob sie ihn verlassen soll.
Da ist es plötzlich an der Zeit zu renovieren. Ein neues Hausdach, die Sägespäne werden gegen Glasfiber ausgetauscht, ein Schornstein wird ins Wohnzimmer gelegt, ein Dachboden ausgebaut, ein Partyraum im Keller eingerichtet, der Fensterkitt muss erneuert werden, es muss gesäubert und gemalt werden, die Schranktüren müssen ausgetauscht werden, es wird Teppichboden verlegt, Wasserhähne und Waschbecken werden ausgetauscht, das verrottete Holz in der Sauna muss erneuert werden, es wird eine Sitzecke im Garten gebaut, ein Balkon, und die Terrasse bekommt einen Windschutz.
Aber danach ist alles fertig. Danach ist es unwiderruflich. Danach ist alles fertig gebaut, die Schöpfung ist vollendet, die Hand greift sinnlos nach dem Hammerstiel, und die Hausfrau muss einsehen, dass es keine Rettung mehr gibt. Jetzt hilft nur noch die psychiatrische Klinik von Gällivare.
Da kommt die Friggebo-Reform.
Es ist unglaublich, wie viele
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