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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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Rätsel auf und das verwirrte diese Menschen. Und es gab andere, wie Jardine, die ihn lange kannten und die sich an seine Unnahbarkeit gewöhnt hatten. Für sie war Wyatt die personifizierte Wortkargheit, gepaart mit einer stetig indifferenten Miene und einem skeptischen Verstand. Aber man konnte ihm vertrauen, also begnügte man sich mit der Einsicht, dass man nicht mehr über ihn wissen musste. Im Laufe der Jahre war Wyatt aber auch auf Leute gestoßen, die seine Distanziertheit als Affront oder Herausforderung empfunden hatten. Männer reagierten darauf mit Arroganz und Frauen versuchten, ihn aus der Reserve zu locken. Wyatt forderte dergleichen niemals bewusst heraus und am Ende zeigte er sich eher leicht verunsichert, reagierte spontan, verwirrt und ohne Verständnis dafür, dass jemand an seiner Person Interesse zeigte.
    Und so beschlich ihn das angenehme, vergessen geglaubte Gefühl, das die ungezwungene Gesellschaft einer auf kapriziöse Weise attraktiven Frau mit sich brachte, noch dazu unter einer Sonne, deren Strahlen seinen Körper wärmten und die sich in diesem Moment hinter einem vorbeifahrenden Vergnügungsdampfer auf der Oberfläche des Wassers als funkelndes Lichtgesplitter brachen. Liz Redding stellte keine Fragen, wollte ihn nicht besser kennen lernen, spielte auch keine vordergründigen Spielchen. Er entspannte sich ein wenig, streckte die Beine aus, schlug die Füße übereinander und wandte sein Gesicht der Sonne zu.
    Sie saßen an der Southbank, dem Gebiet am Yarra, das der Touristen und Postkartenfotografen wegen dem alten Industriemüll entwachsen war. Ein Fahrradweg, viel kurz geschnittenes Gras, Fahnenstangen, Cafés, Cinzano-Sonnenschirme und das Brummen der City von Melbourne auf der anderen Seite des Wassers.
    Allmählich fand Wyatt Gefallen an der Sonne, an dem Panorama und an der Gesellschaft der Frau neben ihm, ihm gefiel aber auch die Tatsache, alle Möglichkeiten zur Flucht zu haben, sollte dies eine Falle sein. Falls erforderlich, könnte er davonschwimmen, und bevor er zuließe, dass die Cops ihn damit erwischten, würde er sogar den Tiffany-Schmetterling in den Fluss werfen.
    »Kein Motel diesmal?«
    »Ich mag keine Wiederholungen«, erwiderte Wyatt und machte sofort dicht; er wollte nichts von sich preisgeben, wollte nicht selbstgefällig erscheinen.
    Liz Redding lächelte. Für sie war das kein Thema. Er sah, wie sie wegschaute, ihr Blick angezogen vom Wasser, als stünde es in Flammen. Ihm erging es nicht anders, wenngleich er sich auch von Liz Redding angezogen fühlte, eine befremdliche Faszination, die von ihrem Körper und ihrer schelmischen Mimik ausging. Ein Gefühl, sie einatmen zu wollen, überkam Wyatt, als reagiere ihre Haut, reagiere ihr Haar auf die Sonne und vielleicht sogar auf ihn.
    Sie sagte: »Haben Sie’s dabei?«
    Zwischen ihnen lag eine kleine, in Seidenpapier verpackte Geschenkschachtel auf der Bank. Als Wyatt sich hinüberbeugte, um sie zu öffnen, nahm er Liz Reddings lange Oberschenkel wahr, die diesmal unter einem Rock steckten. Liz’ Blick ruhte auf seinen Händen — große Hände, durchzogen von Venen —, während er den Deckel abhob, und für jeden Passanten hätte es so ausgesehen, als öffne Wyatt ein Geschenk seiner Freundin.
    Er beobachtete sie genau. Hätte er das nicht getan, wäre ihm die Versunkenheit, die Konzentration, die sich nur kurz in ihrem Gesicht widerspiegelte, nicht aufgefallen. »Wunderbar«, murmelte sie schließlich.
    Doch das galt nicht der Schönheit der Brosche. So hatte sie gestern nicht reagiert. Da war etwas anderes, und er sollte noch warten müssen, bis dieses Andere sich ihm erschloss.
    Sie blickte links und rechts den Fahrradweg entlang und dann hinter sich. Für den Moment waren sie allein. Er sah, wie sie die Brosche in Höhe ihres Schoßes hielt und zweimal umdrehte. Dann sah sie ein weiteres Mal den Fahrradweg entlang, klemmte ihre Lupe ins rechte Auge und beugte den Kopf tief über das Schmuckstück. Dunkle, glatte Haarsträhnen verdeckten ihre Wangen und tarnten die Inaugenscheinnahme der Diamanten. Gleichzeitig entblößte diese Kopfbewegung Liz Reddings Nacken, und Wyatt ertappte sich dabei, dass er sie dort berührte.
    Sie verstand das als Warnung. In Sekundenschnelle hatte sie die Lupe abgenommen und zusammen mit der Brosche in die Geschenkschachtel gelegt. Sie sah Wyatt an, lächelte und rückte heran, Teil eines Spiels zweier Verliebter auf einer Parkbank. Doch Wyatt erstarrte bei dieser Berührung,

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