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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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also blickte sie sich um, vergewisserte sich, dass sie allein waren, und rückte den Bruchteil eines Zentimeters von ihm ab. Als sie Wyatt irritiert ansah, zuckte er nur mit den Achseln, zum einen, um Zeit zu gewinnen, zum anderen, um überhaupt irgendetwas zu tun.
    Schließlich tat sie so, als wäre nichts geschehen. Wyatt fühlte seine Verlegenheit schwinden und plötzlich schien die Welt voller Möglichkeiten. Doch er sagte nichts und tat auch nichts.
    Liz Redding atmete tief durch. »Wir werden das übrigens nicht auseinander nehmen. Es bleibt so erhalten.«
    Gut. Sie hatte einen Käufer gefunden. Wyatt fragte sich, ob er sie wollte, weil sie so war wie er oder weil er wollte, dass sie so wäre wie er. Lernte er jemanden kennen, erkannte er augenblicklich das Defizit in dessen Wesen, was oftmals gleichbedeutend war mit dem typischen Wesenszug. Diese Gabe war Segen und Fluch zugleich und hatte ihn nur selten im Stich gelassen. Unter Liz Reddings professioneller Oberfläche flammte Begeisterung auf, nicht nur für das Tiffany-Schmuckstück, sondern auch für all die Risiken, die damit verbunden waren, sowohl für sie als auch für Wyatt.
    Zwei Jugendliche gingen Arm in Arm vorbei und grölten: »Rolling, rolling, rolling down the river.« Während der zwölf Monate, die Wyatt in Vietnam gedient und in denen er seine auf der Straße erworbenen Fähigkeiten weiter ausgebildet hatte, hatte jeder GI, mit dem er zusammengetroffen war, diesen Song gesungen. Die Amerikaner hatten Wyatt mit Entsetzen erfüllt. Sie waren durch die Landschaft gestolpert, zugedröhnt bis unters Dach, und hatten es geradezu herausgefordert, in einen Hinterhalt zu geraten. Wyatt hatte es sich zum Prinzip gemacht, auf Abstand zu ihnen zu gehen. Das einzig Gute am Dope — alle hatten es genommen, einschließlich der Sicherheitsposten auf den US-Basen, und es hatte sie träge und nachlässig werden lassen. In Vietnam hatte Wyatt zum ersten Mal einen Geldtransport überfallen, einen Transport mit dem Sold der Soldaten. Dieser Raub hatte ihm ein Jahr Aufenthalt in Europa finanziert, nachdem er die Armee verlassen hatte.
    Doch dann sagte Liz Redding mehr zu sich selbst: »Tja, das ist er. Ich hab mich schon gefragt, wann diese kleine Schönheit wieder auftauchen würde.«
    Wyatt schien mit einem Male wie versteinert. Sein Gesicht war schmal, knochig, dazu der kühle Blick und ein Mund, den man als abweisend empfinden konnte, wenn nicht gerade ein Lächeln ihn umspielte. Jetzt war da kein Lächeln, und Wyatt entging nicht, dass Liz zusammenfuhr. Mit fester, ruhiger Stimme sagte er: »Auftauchen würde? Sie ist doch erst seit kurzem in meinem Besitz.«
    »Ich meine — «
    Wyatt klang streng, unerbittlich, jedes seiner Worte kam einer Ohrfeige gleich. »Sie meinen, die Brosche hat eine Vergangenheit. Als Sie sie gestern gesehen haben, haben Sie sich sofort an die Beschreibung in einer Liste gestohlener Wertgegenstände erinnert.«
    Wütend über sich selbst, zuckte Liz zusammen. Wyatt hatte bereits Frauen erlebt, die, was ihn betraf, schnell kuriert waren, und da er sie ertappt hatte, erwartete Wyatt von Liz Redding nichts anderes. Doch nichts dergleichen geschah; im Gegenteil, ihr Gesicht nahm nachgerade einen trotzigen Ausdruck an. »Na und? Ich hab angenommen, Sie haben es schon eine Weile.«
    »Habe ich nicht. Also bitte, klären Sie mich auf.«
    Sie neigte den Kopf zur Seite und sah ihn forschend an. »Stimmt es, was Sie sagen? Ihnen ist das Stück gerade erst in die Hände gefallen?«
    »Erzählen Sie endlich.«
    »Sie haben doch sicherlich von der so genannten Magnetbohrerbande gehört, oder? Vor einiger Zeit hat die Bande die Schließfächer einer Bank in Brighton ausgeraubt. Dieser Tiffany-Schmuck war unter den als gestohlen gemeldeten Sachen.«
    Irrelevant. Wyatt wischte es beiseite. »Die Frage ist doch, woher wissen Sie das?« Er starrte sie an. »Sie sind keine Hehlerin.«
    Er war aufgestanden, steckte das Schmuckstück ein und ging einfach los, ohne Eile, aber auch ohne Zeit zu verlieren. Seine Nerven waren in Alarmbereitschaft, gefasst darauf, dass ihn jeden Moment Hände an der Schulter oder am Arm packten. Doch niemand rief ihm hinterher oder hielt ihn an. In ein, zwei Minuten wäre er ein anonymes Gesicht unter vielen, und mehr als ein, zwei Minuten benötigte Wyatt nicht.
    Dann war sie neben ihm, lautlos und flink, und hielt mit ihm Schritt. »Es gibt eine Belohnung.«
    Er ging weiter. »Vergessen Sie, dass Sie mich getroffen

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