Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
Vom Netzwerk:
haben.« Er sprach leise und machte sich nicht die Mühe, sie anzusehen.
    »Es ist mein Ernst, Wyatt, es gibt eine Belohnung. Das ist mein Job, ich handle Belohnungen aus im Auftrag der Versicherungsgesellschaft, okay?«
    Sie packte wütend seinen Arm und zwang ihn, stehen zu bleiben. »Fünfundzwanzigtausend, in Ordnung? Man wird keine Fragen stellen, aber es wird ein paar Wochen dauern, bis alles in trocknen Tüchern ist.«
    Wyatt ging mit sich zurate. Es bedurfte eines starken, professionellen Teams, um die Schließfächer einer Bank auszurauben. Wer steckte dahinter? Und wer hatte die Tiffany-Brosche Cassandra Wintergreen gegeben — oder verkauft? Wyatt spürte, dass er auf etwas zusteuerte, von dem er besser die Finger lassen sollte; da war sein sechster Sinn, auf den er sich verließ, damit alles zu seinem Vorteil ablief, aber da war auch Liz Redding, sehr lebendig, sehr nahe bei ihm. Solange er die Regeln bestimmte, konnte nichts passieren. Er nahm sich noch die Zeit, ihr zu erklären, wie sie Verbindung mit ihm aufnehmen könne, und mischte sich anschließend unter die Spaziergänger, die die Princes Bridge bevölkerten.

    ACHT

    Pacific-Rim-Flug 39 aus Melbourne und Sydney landete mit wenigen Minuten Verspätung auf dem Port Vila International Airport. Es war Donnerstagvormittag. Lou Crystal knöpfte seine Uniformjacke auf und ging die Stufen zum Rollfeld hinunter. Die tropische Luft schlich sich geradezu an ihn an, warm, feucht, angereichert mit Kerosin und dem Duft von reifen Früchten — er kam bereits ins Schwitzen, noch bevor er im Terminal war. Über seiner Schulter hing die kleine Reisetasche, in der anderen Hand trug er den Koffer mit dem Schottenmuster aus dem Schließfach des U-Stores in Melbourne. Die Crystal erteilten Anweisungen waren stets präzise: Versehen Sie den karierten Koffer mit einem Adress-Schild, das folgende Angaben enthält: Mr. Huntsman, Reriki Island Resort. Deponieren Sie den Koffer beim Fahrer des Minibusses des Reriki Island Resorts.
    Die Passagiere von Flug 39 bildeten eine Schlange vor dem Einreiseschalter. Crystal musterte sie, als er vorbeiging, und fragte sich, ob einer von ihnen Huntsman sei; aber er sah nur Rucksacktouristen, Leute auf Hochzeitsreise, Australier und Neuseeländer mittleren Alters, die die Dividenden ihrer Rentenfonds auf den Kopf hauten. Alle sahen übermüdet aus und käseweiß und schienen es nicht abwarten zu können, in ihren Urlaubsdomizilen einzuchecken, um sich endlich um ihre Shorts in Knallgelb und Neongrün, um T-Shirts und Sonnencremes kümmern zu können. Crystal verachtete sie. Der Lärm, den sie veranstalteten, ihre Ignoranz und ihre Vorliebe für billiges Amüsement waren ihm zuwider.
    Seit der Unabhängigkeit im Jahre 1980 flog Pacific Rim Airlines Vanuatu an. Crystal selbst hatte fünf Jahre lang in Port Vila Station gemacht. Jeder hier kannte ihn, und so nickte er nach links, nickte nach rechts, als er sich am Einreiseschalter und der Zollabfertigung vorbei Richtung Haupthalle bewegte. Hier, in der Haupthalle, bildeten Doppelgänger der Passagiere von Flug 39 ebenfalls Schlangen, um die so genannte Ausreisesteuer zu bezahlen. Sie lärmten mehr, waren gebräunter und dazu beladen mit billigem einheimischem Kunstgewerbe, grundsätzlich jedoch von den anderen nicht zu unterscheiden. Crystal ging an ihnen vorbei und verließ den Terminal in Richtung der Taxi- und Minibusstände.
    Sehr feiner Sprühregen zog herauf, der mit seinem Dunst die Bergspitzen einhüllte und dem Grün der Hänge die Leuchtkraft nahm. Banyanbäume, Kokosnusspalmen, Schraubenbäume und eine Hand voll Farn- und Milchbäume umgaben das Flugfeld und säumten die nahe gelegenen Straßen, manche von ihnen im festen Griff der Orchideen und Kletterpflanzen. Überall in Vanuatu sah man Blätter, die an Schilde und Speere erinnerten, und in der Regenzeit tropfte aus ihnen das Wasser auf Crystals Kopf. Während der späteren Morgenstunden entdeckte er mitunter Spinnen von der Größe eines Handtellers, die reglos in der Mitte riesiger, zwischen glänzendem Blattwerk gesponnener Netze lauerten. Im Minibus des Reriki Island Resorts saßen bereits ein halbes Dutzend Leute. Der Fahrer lehnte sich gegen den überdachten Gepäckanhänger und rauchte eine Zigarette. Er grinste Crystal an, nahm ihm den Koffer ab und verstaute ihn auf dem Anhänger. Dann widmete er sich wieder dem Rauchen, wartete, und Crystal war für ihn Geschichte. Der war seinerseits froh, den Koffer los zu sein.

Weitere Kostenlose Bücher