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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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zu erreichen, kletterte mit dem Gewehr vom Regal und setzte ihnen nach. Ihrer natürlichen Neigung folgend, würden sie sich aufteilen und den Hang hinunterlaufen Richtung Einfahrt. Wyatt ging den Hang hinauf, entfernte sich in einem spitzen Winkel vom Haus. Er hatte nicht die Absicht, dort in der Falle hocken zu bleiben.
    Es kamen nur die Bäume in Frage, dort lag kein verräterischer Tau, nur das weiche Laub herabgefallener Blätter. Er sah sich nach einem hohen Aussichtspunkt um, hoch genug, um ein weites Schussfeld zu bieten, mit Blick nicht nur auf das Haus, sondern auch auf den Baumgürtel weiter unten am Hang und die Rasenfläche, die sich bis zur Einfahrt erstreckte. Schließlich hatte er seinen Baum gefunden. Die untersten Äste befanden sich etwa drei Meter über seinem Kopf. Man konnte auf ihnen stehen und nicht gesehen werden; das Gewehr auf einem höheren Ast abgestützt, könnte er so zuerst den einen, dann den anderen Mann ausschalten.
    Wyatt schulterte das Gewehr, band das Stemmeisen an das Seil und warf es über einen Ast; er benötigte zwei Versuche, bis das mit dem Stemmeisen beschwerte Seilende über dem Ast hing und nach unten rutschte. Jetzt konnte Wyatt an dem Doppelseil nach oben in den Baum klettern. Als er eine angenehme Position gefunden hatte, zog er Seil und Stemmeisen hoch und packte beides zurück in den Rucksack.
    Natürlich gab es noch eine andere Möglichkeit, die Sache zu erledigen: In die Offensive gehen, geduckt losrennen, im Zickzack, wenn er freie Bahn hatte, an der Seite des Mannes auftauchen, um ihn zu töten, dabei den Moment der Überraschung nutzen, während der andere noch seine Waffe ausrichten musste.
    Aber es waren zwei Männer. Welchen sollte er sich zuerst vornehmen? Welche Seite, rechts oder links? Was, wenn einer oder sogar beide ihn erwartet und die Richtung gewechselt hatten? Diese Fragen hatten Wyatt beschäftig, bevor er seinen Entschluss fasste. Seit seiner Ausbildung bei der Armee hafteten sie in seinem Gedächtnis, eingebläut von einem Ausbilder, dessen bester Schüler Wyatt gewesen war.
    Sein Versteck im Baum war die bessere Lösung. Er würde weder den Rückzug antreten noch die Deckung aufgeben müssen. Wenn der Feind nicht sieht, wie du dich bewegst, weiß er auch nicht, ob du das Areal bereits verlassen hast, geblieben bist oder dich bewegst, ohne gesehen zu werden. Also ist er gezwungen, verschiedene Richtungen einzuschlagen, und kann Kraft und Konzentration nicht bündeln. So beurteilte Wyatt die Lage. Lass sie sich doch bewegen und Fehler machen; es ist besser, wenn sie ins Blickfeld treten, als selbst ins Blickfeld zu rücken.
    Wyatt wollte einen gezielten Schuss auf den Mann mit dem Gewehr abgeben, auf den Mann, der Riggs hieß. Riggs musste als Erster dran glauben, auf ihn musste er sich konzentrieren. Das hieße aber auch, dem Mann mit der Schrotflinte das Versteck im Baum preiszugeben, doch Wyatt setzte darauf, dass die Schrotflinte keine große Reichweite hatte. Jetzt begann die Phase des Wartens. Ab und zu erhaschte er einen kurzen Blick mal auf den einen, mal auf den anderen Mann, bekam sie aber nicht klar ins Visier. Sie waren um Deckung bemüht, mieden den offenen Raum zwischen den Bäumen und dem Sicherheitszaun. Dann wieder verschwanden sie minutenlang. Da die Männer keine Spuren fänden, die zurück zum Zaun führten, ging Wyatt davon aus, dass sie sich im Kreis über das Grundstück bewegten, dabei Baum für Baum absuchten, um im Anschluss nochmals das Haus unter die Lupe zu nehmen. Wyatt praktizierte jetzt etwas, was er schon in Vietnam praktiziert hatte: Er schaltete ab, als wolle er verhindern, dass die, die ihn jagten, etwas empfingen, was er aussendete. Es war nichts Antrainiertes, es war Instinkt und es hatte ihm geholfen, dieses grauenhafte Land lebend zu verlassen.
    Die Sonne stand jetzt über dem Horizont, erzeugte lange Schatten und brachte den Tau zum Glitzern. Hin und wieder atmete Wyatt tief ein und wieder aus, um die natürliche Unruhe in seinen Händen zu kontrollieren. Er blinzelte, bemüht, in dem ungünstigen Licht menschliche Umrisse auszumachen.
    Das Blinzeln schien ihm eine Art Fata Morgana zu bescheren. Er schüttelte den Kopf, um klarer zu sehen. Keine Fata Morgana, sondern ein Mann, der durch das Loch im Zaun stieg und dann in einer nahezu lächerlichen, gebückten Haltung den Hang zum Haus hinaufeilte. Wyatt drückte sein Auge gegen den Gummiring am Zielfernrohr. Der Typ sah ziemlich sonderbar aus. Er trug ein

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