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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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der Stelle, wo sich die kurvenreiche Straße gabelte.
    Er stieg aus und kraxelte den Abhang zu De Lisles Sicherheitszaun hoch. Ganz in Schwarz gekleidet, hatte Wyatt zusätzlich schwarze Schminke aus einem Laden für Theaterzubehör auf Stirn, Wangen und Handrücken verteilt. Bevor er von Coffs Harbour aufgebrochen war, hatte er sich nur mit klarem Wasser gewaschen: keine Seife, kein Shampoo oder Deodorant, keine Düfte, weder synthetische noch natürliche, die ihn verraten könnten. Er hatte sich zwei Flaschen mit Acetylen und Sauerstoff auf den Rücken geschnallt und in der Hand trug er einen Rucksack. Als er am Zaun stand, starrte er hinauf zu dem kompakten Schemen des Hauses und der Bäume rings um. Da war ein schwacher Lichtschein, der jedoch nichts zu bedeuten hatte; die Leute ließen das ganze Jahr über Licht auf ihren Veranden oder in ihren Garagen brennen.
    Das Grundstück wurde über eine Nebenleitung mit Strom versorgt, die in einen Pfosten aus Stahl und Beton neben dem Sicherheitszaun mündete. Von einem Transformator auf dem Pfosten verlief eine dünnere Leitung in das Haus. Wenn es Wyatt gelänge, die Stromzufuhr zu unterbrechen, würde überall im Haus und auf dem Grundstück Dunkelheit herrschen, gleichzeitig wären sämtliche Alarmanlagen oder Fallen, die der Mann für jemanden wie Wyatt installiert hatte, außer Funktion gesetzt. Die Stunde vor Tagesanbruch verschaffte Wyatt einen weiteren Vorteil: Zu dieser Tageszeit waren die Leute noch schlaftrunken. Gäbe es Sicherheitspersonal, so wäre der eine Wächter müde vom Nachtdienst, seine Ablösung wäre noch müde vom frühen Aufstehen.
    Wyatt benutzte eine Ladung Thermit, um den Transformator zu zerstören. Thermit brennt, aber es explodiert nicht. Damit keine Funken sichtbar wurden, führte Wyatt die Lunte in ein PVC-Rohr von zwei Zentimetern Durchmesser und einer Länge von einem halben Meter ein. Selbst wenn De Lisle direkt unter dem Transformator stünde, würde er lediglich registrieren, dass seine Sicherheitsvorkehrungen ihren Dienst versagten. Erst recht wäre vom Hause weder etwas zu hören noch zu erkennen; für eine gewisse Zeit würde man dort von einem ganz normalen Stromausfall ausgehen.
    Wyatt hörte, wie der Transformator den Geist aufgab, und konnte zwischen den Bäumen erkennen, dass bei De Lisle das Licht erlosch.
    Jetzt war er bereit, sich durch den Stahlzaun zu schneiden, hatte den Schweißbrenner an die Flaschen angeschlossen, eine Schutzbrille aufgesetzt und dicke Arbeitshandschuhe angezogen. Jetzt öffnete er die Ventile an den Flaschen, regulierte das Ventil am Griffstück des Schweißbrenners, hielt einen Gasanzünder in das ausströmende Sauerstoff-Gas-Gemisch, zündete mehrere Male, bis sich mit einem Wumm! am Schweißmundstück eine Stichflamme zeigte, kobaltblau mit einem Hauch Gelb an den Rändern. Vorsichtig betätigte er das Ventil der Sauerstoff-Flasche, bis das Gelb verschwand. Jetzt war die Flamme am heißesten und er hielt sie an den Stahl. Ein Gitterstab nach dem anderen verfärbte sich zuerst orange, dann kirschrot, um sich am Ende, begleitet von einem Funkenregen aus geschmolzenem Metall, zu lösen. Wyatt fabrizierte ein Loch, groß genug, um hindurchschlüpfen zu können, ohne kriechen oder sich ducken zu müssen. Er nahm die Schutzbrille ab und betrat das Grundstück. Seine Augen brauchten eine gewisse Zeit, um sich wieder an normale Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Zwar hatte die Schutzbrille sie vor Verletzungen bewahrt, doch bis er wieder klar sehen konnte, schien die Morgendämmerung ein Muster aus glühend roten Gittern zu sein, das sich vor den Abhang und die dunklen Bäume im Hintergrund schob.
    Ihm fiel auf, dass sein Atem in der kühlen Luft wie eine Rauchfahne über seinem Kopf hing. Er holte ein Taschentuch heraus, band es sich vor Mund und Nase, schnallte den Rucksack auf den Rücken und ging durch das Gras auf die ersten Bäume zu.
    Ungehindert erreichte Wyatt das Haus. Er stieg die Stufen zu einer breiten Veranda hoch und hörte nur den leisen Wind, der die Palmwedel sanft gegen das Hausdach wehte. Doch dann hörte er, wie jemand ganz in seiner Nähe anfing zu pinkeln. An der dunkelsten Stelle der Veranda stand ein Mann. Im selben Augenblick schien er zu bemerken, dass Wyatt ebenfalls dort war. Der Mann schrie auf und nestelte an seinem Hosenschlitz.
    Wyatt versetzte dem in der Dunkelheit nur undeutlich zu erkennenden Gesicht einen Kopfstoß und rannte die Stufen hinunter. Hinter ihm fing der

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