Poseidon - Der Tod ist Cool
etwas Schlaf. Auch einen?“
Frenzel nickte.
„Apropos erste Spur. Ich war gestern Abend noch in der Universität. Mir kam so eine Idee wegen unseres neuesten Falles. Deshalb stattete ich unserem alten Bekannten Professor Reiter einen Besuch ab.“
Nowotny reichte Frenzel sein Getränk.
„Reiter? Wie lange ist das jetzt her – fünf Jahre? Hast du deswegen die CD mitgebracht?“
Nowotny deutete auf den Datenträger.
Frenzel verneinte.
„Die lag heute in meinem Postfach – ohne Absender oder dergleichen. Keine Ahnung, was es damit auf sich hat. Können wir ja später noch ansehen.“
„Vielleicht ein Geburtstagsgeschenk? Alles Gute, Peter!“
Nowotny trat einen Schritt auf Frenzel zu und umarmte ihn. Vertrautheit durchströmte Nowotny.
Und Stärke – davon konnte er im Moment nicht genug bekommen.
„Vielen Dank, Michael. Dass du daran denkst - ich habe ihn glatt vergessen!“
Frenzel war überrascht und sichtlich berührt. Nowotny stand das Wasser bis zum Hals, aber seinen Ehrentag verschwitzte er trotzdem nicht.
„Ich werde den Geburtstag meines besten Freundes vergessen. Wenn es dann doch mal soweit sein sollte, quittiere ich auf der Stelle meinen Dienst!“
Frenzel registrierte Nowotnys Versuch, das Telefonat mit dem Innenminister in den Hintergrund zu spielen, lockerer zu werden. Er spürte, dass es nicht klappte. Nowotny wirkte weiterhin nervös und fahrig.
„Noch ist es ja nicht so weit. Aber zurück zu Reiter. Er...“
„Kann ich die CD haben, Peter?“
Nowotny unterbrach in jäh – eigentlich nicht seine Art.
„Du weißt, wie neugierig ich bin. Erzähle mir die Geschichte, während wir sie uns ansehen, okay?“
Nowotny starrte erwartungsvoll in seine Richtung.
„Du bist schlimmer, als ein kleines Kind. Aber meinetwegen. Hier.“
Frenzel reichte ihm schmunzelnd die Scheibe. Nowotny legte sie in den Computer ein.
Das Summen des Laufwerks setzte eine Lawine in Gang, die niemand mehr aufhalten konnte. Sie begrub die beiden Freunde unter sich.
Veränderte ihr Leben.
Für immer.
18. Kapitel
Zwei Augenpaare.
Groß.
Dunkel.
Panisch.
Sie starrten Frenzel und Nowotny aus dem Bildschirm entgegen. Ihr Ausdruck fing die Zeit ein, verschmolz sie zu Blöcken und versenkte sie.
Wertlos, im Angesicht des Todes.
Die Kameraeinstellung veränderte sich. Die Gesichter wurden sichtbar, dann die Hälse, Schultern, der ganze Rest.
Nackte Körper, gefesselt auf Stühlen.
Schreie prallten gegen Knebel, erstickten.
Die Stimme des Sprechers im Off tanzte im eigenen Takt zur Melodie des Wahnsinns, glitt schwerelos durch den Raum.
Zoom.
Hände - freie, bewegliche Hände. Sie zwangen den fixierten Köpfen eine klare Flüssigkeit zwischen Knebel und Lippen. Von irgendwo her drang ein Wort an Nowotnys Ohr, welches sich durch das Vakuum seines Entsetzens zwängte.
Wasser.
Zoom.
Der Leib der Frau und des Mannes erzitterte, kleine Beben pflanzten sich an ihrer Oberfläche fort. Die Haut riss an verschiedenen Stellen auf, spuckte Blut, das dampfend und zischend auf sie herabregnete.
Sie mit sich selbst kontaminierte. Von neuem verätzte, zersetzte.
Drei Millionen Pixel lösten Nowotny aus dem Jetzt. Sie stülpten sich über ihn, schlossen ihn ein. Jedes weitere Bild verstärkte die Wand, die ihn von allem anderen trennte.
Den menschlichen Resten tropften Fleisch und Sehnen von den Knochen. Das Leben verbrannte, wie das Wachs einer Kerze, befreite sich aus seiner Umklammerung und sammelte sich auf dem Fußboden, bevor es im Abfluss verschwand. Zurück blieben zwei leere Stühle aus Stahl.
Frenzels Schreie kämpften mit dem Gelächter des Unbekannten, welches Nowotny vergiftete. Seine Hände griffen ins Leere, als sein Freund vor seinem Auge zusammenbrach. Er hörte den dumpfen Aufprall des Schädels an der Kante des Schreibtisches, das Knacken, wenn Knochen zerbrach. Er sah das Blut auf den Bildschirm spritzen.
Schwarz verwandelte sich in Rot – der Film war zu Ende.
19. Kapitel
Noch bevor Nowotny auf dem Boden aufschlug, wusste Frenzel, dass sich sein Freund das Genick gebrochen hatte. Der unnatürlich abgewinkelte Kopf des Daliegenden und der fehlende Herzschlag bestätigten ihn. Nun hielt er den leblosen Körper in den Armen, während er auf Dr. Heinzelmann wartete. Die anderen Kollegen jagte er aus dem Büro.
Frenzel streichelte Nowotny die Haare und wiegte ihn wie ein Kind. Tränen liefen ihm über das Gesicht.
Als sie auf Nowotnys Gesicht tropften, wünschte er sich,
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