Poseidon - Der Tod ist Cool
des Professors nennen, ich würde ihn mir gerne notieren?“
Frenzel zückte seinen Notizblock.
„Murasaki Hideyoshi.“
„Wie buchstabiert m...“
„M u r a s a k i H i d e y o s h i! Und nun lassen Sie mich bitte alleine, ich habe noch zu tun.“
Frenzel reichte es für heute. Er wollte seine Geduld nicht länger strapazieren.
„Vielen Dank für Ihre Hilfe,
Herr Doktor
. Ich komme gegebenenfalls nochmals auf Sie zu.“
Frenzel verabschiedete sich im Gehen. Es interessierte ihn nicht, ob seine bewusst arrogante Betonung eine Reaktion bei seinem Gegenüber verursachte.
Reiters Blick verschwamm, der Bildschirm verflüssigte sich, verwandelte sich in ein Meer aus Rot. Er versuchte, seine Hände zu Fäusten zu ballen, um die Spasmen seiner Finger unter Kontrolle zu bekommen. Die Ereignisse holten ihn ein, meißelten ihm ihre Wahrheit ins Mark. Ihm blieb keine andere Wahl.
Er schloss eine seiner Schreibtischschubladen auf und nahm einen durchsichtigen Beutel heraus, hielt ihn auf Augenhöhe.
Das weiße Pulver glitzerte im Licht der Zimmerdecke.
16. Kapitel
Wie lange schon!
Aber wie lange noch?
Keiner kann mir eine Antwort geben. Die Seiten bleiben weiß, wie das Ziffernblatt meiner Armbanduhr.
Hahahaha.
Reiter lachte bitter.
Zeit – eine sich täglich selbst neu erfindende Fata Morgana, die mit gezinkten Karten um unser Leben spielt.
Um mein Leben spielt, das beständig an Wert verliert.
Doch wir sitzen zu dritt am Tisch.
Chorea Huntington.
Der Plastikbeutel pendelte in Reiters Hand hin und her. Sein Inhalt glänzte transzendental, lockte mit falschen Versprechungen. Verheißungen mit immer kürzerer Halbwertszeit. Reiter ließ ihn auf seinen Schreibtisch fallen. Er öffnete den Clipverschluss, löffelte zwei Messbecher in eine Tasse und rührte um. Er mühte sich, sie nicht zu verschütten - sein linker Arm schnellte jäh zur Seite.
Die Bewegungsstörungen beginnen mit ungewollten Bewegungen, sogenannten
Hyperkinesien
.
Später zeigt sich eher Bewegungsarmut – Hypokinesie.
Durch die nicht eingeplante Unterhaltung mit Frenzel war es zu einer Verzögerung der Einnahme seines selbst komponierten Medikamentencocktails gekommen.
Später können ein unbedachtes und impulsives Verhalten sowie eine Enthemmung in zwischenmenschlichen Beziehungen auftreten.
Reiter stürzte die Mischung in einem Zug hinab. Der Geschmack hatte im Laufe der Jahre trotz verschiedenartigster Zusammensetzungen nichts von seiner Bitterkeit verloren. Ihn würgte es.
Eine Therapie, welche die Krankheit heilt oder dauerhaft aufhält, ist nicht bekannt. Verschiedene Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel werden mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt, um die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.
Reiter stand noch unter dem Eindruck von Frenzels Neuigkeiten. Hoffen und Bangen schlugen im Wechsel über ihm zusammen.
Sollte es jemandem gelungen sein, solch komplexe Informationen ins Wasser zu transportieren?
Es in derartiger Weise zu manipulieren? Diese Resultate zu erzielen?
Seine Gedanken zuckten unkontrolliert, als wären sie ebenfalls infiziert. Sein Herz raste.
Seit Ausbruch der Krankheit vor fünf Jahren forschte er fieberhaft in die verschiedensten Richtungen. Nachdem er von dem Unglücksfall des japanischen Teams gelesen hatte, fokussierte er seine Anstrengungen auf diesem Gebiet - die Berichterstattung in den Wissenschaftsmagazinen brachte ihn auf die Idee. Reiter hielt es durchaus für möglich, das
Medium Wasser mittels Einspeisung von genauen Daten zu programmieren. Von diesem Moment an verfolgte er nur ein Ziel – zerstörte Zellen – seine Zellen - unter Einsatz dieser Methode wiederherzustellen. Seine Heilung in die eigenen Hände zu nehmen.
Das Voranschreiten der Krankheit kann durch zu hohen Stress beschleunigt werden.
Die von Frenzel erwähnten Todesfälle kümmerten Reiter nicht. Geblendet von den Möglichkeiten, die sich für ihn aus den Ergebnissen dieses Wahnsinnigen ergeben könnten, saß er in seinem Büro und starrte in den Nachthimmel. Er täte alles, um in ihren Besitz zu gelangen. Doch die Gewissheit, niemals in die Nähe dieser einzigartigen Forschungsresultate zu kommen, sickerte in sein Bewusstsein.
Begrub die anfängliche Euphorie.
Ein einsames, schmerzliches Begräbnis.
Der Mond sprühte sein Licht in dünnen Schichten auf Reiters Gesicht, verwandelte es in eine Totenmaske. Nur das
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