Poseidon - Der Tod ist Cool
abgegeben hatte. Die verschiedensten Laborgeräte standen auf mehreren Tischen fein säuberlich positioniert.
Das FIA-LAB II! Also doch!
Der Anblick des Analysegerätes pulverisierte kurz Reiters Lethargie, bevor er erneut in sich zusammensackte.
Ich sitze in der Höhle des Löwen. Als Opferlamm.
Sein Blick wanderte weiter. Direkt vor ihm, etwa einen halben Meter entfernt, befanden sich zwei Metallstühle mit diversen Befestigungselementen, daneben eine digitale Videokamera.
Welche Tragödien spielten sich hier unten schon ab?
Wie vielen vor mir hauchte er ihr Leben aus?
Er sammelte sich.
Aus Ehrfurcht vor den Toten. Und aus der Gewissheit heraus, hierher gekommen zu sein, um sein bereits zum Tode verurteiltes Leben aus der Umklammerung seiner Krankheit zu befreien. Er war aus anderen Beweggründen hier – er
wollte
hierher, war sich der Gefahr bewusst. Für ihn stellte dieser Ort eine Chance dar.
Eine Chance, die die Anderen niemals hatten.
Seine unzähligen Versuche, ein Heilmittel zu finden, zogen als Karawane an ihm vorbei. Er sah sich selbst in die Wüste hinausreiten, von einer Fata Morgana zur anderen, bis er nur noch als Schatten über den Sand dahinschwebte.
Von der Hitze getragen.
Entführt.
Reiter hatte sein Zeitgefühl verloren. Sämtliche Glieder schmerzten. Müdigkeit kroch an ihm hoch. Sog den Rest Energie aus seinen Blutbahnen. Schließlich schlief er ein.
„
Mein Gott, gekreuzigt stehe ich nun vor deinem Gericht. Urteile über mich. Nimm mich zu dir oder stürze mich für immer in das ewige Feuer der Hölle ...“
Kurze, harte Schläge gegen sein Gesicht rissen Reiter aus seinen Träumen. Benommen öffnete er seine Augen.
„Croireau?“
Der Angesprochene stand wenige Zentimeter vor ihm und hielt ein Glas Wasser mit einem Strohhalm in der Hand.
Stumm.
Reiters Versuch, mit seiner trockenen Kehle weitere Worte zu formen, löste sich in unverständlichem Gekrächze auf. Er starrte auf das Getränk. Der Blick auf das kühle Nass multiplizierte schlagartig sein Durstgefühl. Gleichzeitig zwängte sich die Gewissheit an die Oberfläche, dass dies auch sein letzter Schluck sein würde. Reiter kannte die unheimliche Macht, die sein Gegenüber über das Wasser besaß. Frenzel hatte es ihm berichtet. Noch während er darüber nachdachte, ertrank sein Widerstand, versank im Strudel der Gier, seinen Durst zu stillen.
Vielleicht ist mir so ein schnelleres Ende beschieden, als
jämmerlich zu verdursten.
Er spitzte seine Lippen und leerte das Glas. Reiter bemerkte das Lächeln des Anderen.
Wie einer Erlösung gleich benetzte das Wasser seinen Mund, seinen Rachen, glitt durch die Speiseröhre ins Innere, um von dort seinen Weg in jede Zelle seines Körpers zu finden. Sein Organismus bekam einen Bruchteil an Lebensenergie zurück.
Reiter wartete ab.
Er verspürte keinerlei unmittelbare negative Reaktionen auf Grund der Flüssigkeitsaufnahme.
Mit einem bisschen Glück tötet er mich nicht sofort. Womöglich ist mittlerweile schon genügend Zeit vergangen, so dass Frenzel schon nach mir sucht. Schließlich wartet er noch auf die versprochenen Ergebnisse. Wenn er sich meine Unterlagen durchsieht, müsste er anhand der Aufzeichnungen auf diesen Ort schließen können. Dann bestünde ..
.
„Zeit spielt für uns beide keine Rolle mehr.“
Acht Worte.
Acht Worte, die Reiters Hoffnungen in den Boden rammten.
„Für dich nicht, da das Ziffernblatt deiner Lebensuhr bereits verblasst und langsam verschwindet. Für mich nicht, da mein Bewusstsein bald die Meere der Welt bewohnen und beherrschen wird. Bis die Sonne am Himmel verglüht. Und darüber hinaus. Poseidon wird ewig herrschen.“
Er lachte ein kaltes, wahnsinniges Lachen.
Poseidon machte sich daran, den Keller zu verlassen.
„Croireau, hören Sie zu ...!“
Reiter versuchte mit letzter Verzweiflung, in dessen altes Ego vorzudringen.
„Bleiben Sie hier! Verdammt noch mal Croireau, ich muss mit Ihnen reden!“
Dieser drehte sich nicht einmal mehr um, während er sprach.
„Wer ist Croireau?“
Die Frage schoss wie ein Projektil durch das Kellergewölbe, direkt auf Reiter zu. Er wusste, der Tod streckte gerade seine Hände nach ihm aus.
Poseidon stieg die Treppen nach oben, ließ Reiters Schreie hinter sich zurück. Er schlenderte ins Wohnzimmer. Dort setzte er sich in seinen Ledersessel und öffnete eine Flasche Rotwein.
Chianti Classico Riserva.
Aus den Boxen seiner Stereoanlage erklang
Arias for Farinelli
, gesungen
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