Poseidon - Der Tod ist Cool
Haller schwelgte im Geschmack seiner Havanna. Das Nikotin in den Adern verklebte seine Gedankengänge zu einer Theorie. Währenddessen starrten ihn Engel und Kleisters gebannt an. Eine winzige Stelle seiner Naht an der Wange hatte ein Loch - Heinzelmanns Arbeit war nicht perfekt; dort kräuselten sich zarte Wölkchen durch das Gewebe und gaben Haller ein gespenstisches Aussehen.
„Nun, meine Herren, Sie haben ja beide Frenzels Attacke miterlebt.“
Haller setzte eine Kunstpause.
„Und sie haben sicherlich festgestellt, dass Frenzel Anzeichen von
Superman
erkennen ließ.“
Seine Lakaien nickten stumm. Ein weiteres Detail, wieso Haller sie favorisierte.
„Frenzel weiß mehr, als in den Akten steht. Meiner Meinung nach ist er in den Besitz eines
Wundermittels
gekommen, das nur von unserem Unbekannten stammen kann. Eine andere Erklärung gibt es nicht. Wahrscheinlich hatte er während seines Verschwindens Kontakt mit ihm. Ich habe eine Vermutung: Der Gesuchte war ebenfalls auf der Beerdigung, ist Frenzel gefolgt und hat dessen Unfall gesehen. Er zog Frenzel aus dem Wrack, hievte ihn in sein Fahrzeug und transportierte ihn zu seinem Versteck. Dort hat er ihn, nun ja,...
behandelt...
und zurückgelassen. Das Ergebnis kennen wir.“
Kleisters räusperte sich.
„Äh Chef, wenn ich etwas dazu sagen darf?“
„Nein, dürfen Sie nicht! Ich weiß, was Sie sagen wollen. Darüber habe ich mir auch schon den Kopf zerbrochen: Wieso sollte er Frenzel helfen? Wieso hat er ihn nicht gleich umgebracht? Und wieso stattet er ihn mit solch außergewöhnlichen Fähigkeiten aus? Das macht alles keinen Sinn. Es muss irgendeine Verbindung geben, die wir nicht kennen. Die Frenzel wahrscheinlich selbst nicht einmal kennt. Ganz zu schweigen von diesem
Wunder.
“
Stille.
Der Rauch der Zigarre hüllte das Büro in seinen Nebel und nahm die fehlenden Antworten mit.
Haller fuhr fort.
„Frenzel ist lange genug Polizist, um zu wissen, dass seine heutige Aktion das Ende seiner Karriere bedeutet. Er ist ab sofort vom Dienst suspendiert. Ich möchte, dass ihr ihm das mitteilt, plus dem ganzen üblichen Mist, Polizeiausweis, Dienstwaffe und so weiter. Ihr fasst ihn aber unter keinen Umständen an! Haben Sie mich verstanden?“
Nicken.
„Ihr beobachtet ihn rund um die Uhr. Auch ohne Marke wird er den Fall zu einem Ende bringen wollen. Er hängt emotional voll in der Angelegenheit drin. Nowotny und er, Sie wissen schon. Ich denke, es geht ihm um Vergeltung. Um Rache. Und deshalb dürfen Sie ihn keine Sekunde aus den Augen lassen. Wir brauchen den Täter lebend – um jeden Preis, auch wenn es Frenzels Ende bedeuten sollte. Seine wissenschaftlichen Erkenntnisse sind von unschätzbarem Wert, aber nur in den richtigen Händen, wie seine Verbrechen zeigen. Ich erwarte tägliche Berichterstattung.“
Haller sah seine beiden Mitarbeiter mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„An die Arbeit, worauf warten Sie noch, meine Herren?“
Die Nacht brach herein.
Sie warf ihr Kleid durch die geöffneten Fenster und tauchte das Büro in Schwarz. Nur das Glühen der Zigarrenspitze durchbohrte die Dunkelheit. Haller sah in den Himmel hinauf; er versuchte, die losen Enden seiner Gedanken miteinander zu verknüpfen, dem Chaos eine Richtung zu geben. Immer wieder blitzten Bruchstücke des Gefechts mit Frenzel in ihm auf, Bilder, die jedoch zu schnell verschwanden.
Sie blieben verschwommen.
Haller drehte sich um. Im selben Augenblick durchfuhr ihn der Schmerz seiner gebrochenen Rippen. Er erzeugte einen Moment der Klarheit und zerrte ein verloren geglaubtes Fragment aus seinem Bewusstsein.
Frenzel stand vor mir. Ich hatte es zuerst gar nicht bemerkt. Die Mütze - ihr Schatten verdeckte zusätzlich sein Gesicht. Später konzentrierte ich mich auf den Kampf, auf seine Bewegungen.
Haller schluckte.
Es war nicht nur das Verheilen der Wunde.
Seine Hände begannen zu zittern. Er blickte sich um. Das getrocknete Blut an den Wänden formte schemenhafte Geister, die im Mondlicht tanzten.
Auch seine alten Narben waren verschwunden.
50. Kapitel
Frenzel sah aus dem Fenster in die Glut der Nachmittagssonne. Sein Kreislauf spielte verrückt - ihn schwindelte. Seit der Auseinandersetzung mit Haller fühlte er sich benommen, schläfrig, unterbrochen von Herzrasen und Brechreiz. Er schüttelte sich am ganzen Leib, doch das Unbehagen blieb. Es war kein Insekt, das sich verscheuchen ließ, sondern ein Virus, den er nicht zu fassen bekam.
Falk.
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