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Poseidons Gold

Titel: Poseidons Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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diese Behauptung in gewohnt gutwilliger Weise: Nicht einer zweifelte an Marinas Worten! Schließlich hatte ich eine deutliche Zuneigung für das Neugeborene an den Tag gelegt, und außerdem war Festus bei seinem letzten Besuch doch ein schwerverletzter Mann gewesen.
    »Und? Betraf die Verletzung deines Bruders … gewisse … Körperteile?« unterbrach Helena, die mir bis jetzt wie benommen zugehört hatte, aber, wenn ich ihre Miene recht deutete, nicht ganz ohne Mitgefühl für mich war.
    »Schau, hier geht es um meine Familie. Du weißt doch, wie verrückt die ist. Festus«, erklärte ich gelassen, »hatte sich mit einem Dolch den Fuß durchbohrt.«
    »Entschuldige, ich vergesse ständig, daß die Menschen nicht logisch sind. Und was geschah weiter?«
    »Kannst du dir das nicht denken? Ich wurde mit Schimpfkanonaden empfangen, und man befahl mir, das Mädchen auf der Stelle zu heiraten.«
    Helena wirkte noch betäubter als vorhin. Sie befürchtete, ich wäre im Begriff, ihr eine verheimlichte Ehefrau einzugestehen.
    Beinahe wäre es wirklich zu dieser Heirat gekommen. Verwirrt, schuldbewußt und sturzbetrunken erklärte ich eines Abends meine Zustimmung. Doch da besann sich Marina, die zum Glück einen starken Selbsterhaltungstrieb hatte, zählte nach, wie viele Leben wir durch diese Eheschließung ruinieren würden, und geriet darüber selbst in Panik. Also erkannte sie Festus flugs wieder die Vaterschaft zu und machte mir gegenüber einen Rückzieher. Ich mußte daraufhin neuerliche Beschimpfungen einstecken, die mich freilich nicht so teuer zu stehen kamen wie eine Heirat.
    Damit waren wir bei der gegenwärtigen Situation.
    »Und wie sieht die aus?« erkundigte sich Helena spöttisch.
    »Was meinst du wohl?«
    »Ich finde sie entsetzlich.«
    »Genau.«
    Natürlich mußte ich für das Kind sorgen. Das war ich schon meinem Bruder schuldig. Und vor meiner Verantwortung der Mutter gegenüber konnte ich mich auch nicht drücken. So ein Gewissen ist schon was Furchtbares. Marina hatte mich in ihrer Gewalt und würde mich wohl nie aus ihren Fängen lassen. Sie hätte sich leicht einen Mann angeln können, aber warum sollte sie sich binden, wenn sie sich andererseits ungehindert amüsieren konnte, während ich die Rechnung bezahlte? Ich aber hatte mich zur Zielscheibe jeder Art von Spott gemacht, wann immer meiner entzückenden Verwandtschaft danach zumute war.
     
    Helena beschimpfte mich nicht. Sie schien aufgewühlt, aber nicht nachtragend. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte mit Geschirr geworfen. Kommt man mir verständnisvoll, wird mir immer ganz elend.
    Als ich die Spannung nicht länger ertragen konnte, sprang ich auf und tigerte in der Küche auf und ab. Helena hatte die Ellbogen auf Mamas Küchentisch gestützt, den gesenkten Kopf in den Händen. Ich stellte mich schließlich hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Helena, ich bitte dich, du darfst die Gegenwart nicht an der Vergangenheit messen. Du müßtest doch inzwischen wissen, daß etwas ganz Ungeheuerliches mit mir passiert ist, als ich dich kennenlernte.«
    Sie ließ sowohl die Berührung als auch den verbalen Appell kommentarlos über sich ergehen.
    Hilflos wandte ich mich ab. Da stand Helena auf, streckte sich und ging hinaus. Offenbar wollte sie ins Bett. Ich war zwar nicht aufgefordert worden, sie zu begleiten, aber ich zockelte ihr trotzdem nach.
    Stunden schienen zu vergehen, während wir, ohne einander zu berühren, stumm im Dunkeln lagen. Ich nickte wohl zwischendurch einmal ein; jedenfalls wachte ich irgendwann auf und war immer noch unglücklich. Helena lag ganz still da. Ich berührte ihren Arm, aber sie ignorierte mich, und ich drehte mich beleidigt auf die andere Seite.
    Nur Sekunden später regte sie sich. Sie kroch dicht an mich heran, schmiegte ihre Knie in die Beuge der meinen und preßte ihr Gesicht an meinen Rücken. Ich wartete lange genug, um meine Standhaftigkeit zu beweisen, aber auch nicht so lange, daß sie womöglich wieder abgerückt wäre. Vorsichtig drehte ich mich um und zog sie an mich. Sie weinte. Aber auch das hatte sein Gutes. Ich war zwar schuld an ihren Tränen – doch sie weinte ja aus Erleichterung darüber, daß wir einander wieder in den Armen hielten. Wir waren Freunde und würden es auch bleiben.
    Ich hielt Helena umschlungen, bis ihr Kummer nachließ, dann sanken wir beide in einen tiefen Schlaf.
XIX
    Es war eine kalte Nacht, und nach unserem Aufenthalt im hohen Norden, wo man sich besser

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