Poseidons Gold
und ein paar rasche Änderungen vorbereiten. Marina war bekannt dafür, schon beim kleinsten Pieps in Panik zu geraten. Jetzt erbleichte sie unter dem Purpur ihrer Wangenschminke und hielt verzweifelt nach Rettung Ausschau. »Bist du gekommen, um das Kind zu besuchen, Marcus?«
Die kleine Marcia war nirgends zu entdecken, also hatte Marina ihre Tochter wohl wieder mal bei den Nachbarn abgegeben. Ich hatte ihr wegen dieser Gewohnheit schon einige Male Vorhaltungen gemacht. Ihrer Vorstellung von einer passenden Kinderfrau für eine Vierjährige genügten Gestalten wie eine gewisse Statia, eine ständig angeheiterte Person, die mit gebrauchten Kleidern handelte und mit einem verstoßenen Priester verheiratet war. Da man diesen Menschen aus dem Tempel der Isis gewiesen hatte, deren Gefolge den schlimmsten Ruf in ganz Rom genoß, mußte er schon ein sehr zwielichtiger Geselle sein. »Ich laß sie rasch holen«, stammelte Marina verlegen.
»Darum möchte ich auch gebeten haben!«
Sie eilte hinaus. Helena saß auffallend still. Ich schaffte es, mich nicht in nervöses Geplapper zu flüchten, sondern dazustehen wie ein Mann, der die Situation im Griff hat.
Marina kam zurück. »Ach, Marcus hängt ja so an meiner Tochter!«
»Taktgefühl war noch nie deine Stärke!« Seit sie meiner Familie unsere kurze Romanze gepetzt hatte, verkehrten Marina und ich betont förmlich miteinander. Seinerzeit konnten wir uns keinen Streit erlauben, und jetzt waren wir uns so fremd geworden, daß es sich nicht mehr lohnte. Aber ein gewisser Stachel blieb doch.
»Er liebt Kinder!« schwärmte Marina, diesmal noch deutlicher an Helena gewandt.
»Das stimmt. Und was mir daran gefällt«, erwiderte Helena honigsüß, »ist die Unbekümmertheit, mit der er darüber hinwegsieht, wessen Kinder es sind.«
Marina brauchte eine Weile, bis sie das kapiert hatte.
Ich beobachtete, wie die Freundin meines Bruders Helena musterte: eine Schönheit in der ungewohnten Konfrontation mit eherner Willenskraft. Marina sah aus wie ein Hündchen, das an einem fremdartigen Käfer schnüffelt, der womöglich gleich hochspringen und es in die Nase zwicken könnte. Helena dagegen strahlte Unbeschwertheit aus, dezente Vornehmheit und Standesbewußtsein. Aber unsere Gastgeberin tat trotzdem gut daran, sich vor ihr zu fürchten, denn diese vornehme Dame konnte sehr gut zwicken und auch beißen, wenn’s drauf ankam.
Ich versuchte, mich zwischen den Frauen zu behaupten. »Hör zu, Marina, ich untersuche ein Geschäft, das Festus kurz vor seinem Tod eingefädelt hat. Was weißt du darüber?«
»Festus hat nie mit mir über seine Geschäfte gesprochen.«
»Das höre ich von jedem, bei dem ich mich erkundige.«
»Weil’s die Wahrheit ist. Festus war sehr verschwiegen.«
»Leider nicht verschwiegen genug. Er hat ein paar Soldaten versprochen, sie reich zu machen. Und weil sie bis heute keinen As gesehen haben, rücken die Kerle nun der Familie auf den Pelz und verlangen ihren Anteil. Mir könnt’s egal sein, wenn man nicht einen davon kürzlich in den Hades befördert hätte und alle Indizien auf mich als seinen Mörder deuten würden.«
»Oh, Marcus! Aber du warst es doch bestimmt nicht, oder?« Das Mädchen war strohdumm. Dabei hatte ich sie immer für gescheit gehalten. (Dazu, mich übers Ohr zu hauen, reichte ihr Grips ja auch; ein Logikprofessor wäre allerdings an ihr verzweifelt.)
»Nun mach dich nicht lächerlich, Marina!« Sie trug Safrangelb, eine Farbe von solcher Leuchtkraft, daß einem die Augen schmerzten. Und selbst bei diesen Temperaturen ging sie mit bloßen Armen. Marina hatte wunderschöne Arme, an denen ein ganzes Arsenal von Reifen klimperte und klirrte – ein Geräusch, das mich mächtig irritierte. »Jetzt sei mal vernünftig!« verlangte ich. Marina schien das als Kränkung aufzufassen. Mir war so, als ob Helena lächelte. »Was weißt du über griechische Statuen?«
Marina schlug die Beine übereinander und bearbeitete mich nach allen Regeln der Kunst mit ihren Kulleraugen. »Auf Anhieb fällt mir dazu eigentlich nicht viel ein, Marcus.«
»Ich will ja auch keine Vorlesung über Praxiteles. Aber was weißt du über Festus’ Pläne, solche Statuen zu importieren und an reiche Leute zu verscherbeln?«
»Das hätte er wahrscheinlich zusammen mit Geminus gemacht.«
»Bist du dir da sicher?«
»Na, es klingt doch logisch, oder?«
»Nichts an dieser Geschichte klingt logisch! Die ganze Sache stinkt zum Himmel – und wir hängen alle
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