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Poseidons Gold

Titel: Poseidons Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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etliche Fußangeln, die außer mir nur Festus kannte. »Zuerst einmal, Helena, falls ich die Freundin meines Bruders verführt habe, dann hatte Marina nichts dagegen – und was meinen Bruder angeht, so stammte der Plan wahrscheinlich ohnehin von ihm.«
    »Vielleicht hat sie ja dich verführt?« mutmaßte Helena beinahe hoffnungsvoll.
    Ich lächelte. »Nein, das gelingt nur dir.«
    Und dann erzählte ich ihr von jener furchtbar langen römischen Nacht.
     
    Mein Bruder Festus war erst fünfunddreißig, als er starb. Wir waren, ehrlich gesagt, nicht darauf gefaßt gewesen, ihn an den Heldentod zu verlieren. Ein Unfall bei irgendeinem dummen Streich hätte viel eher zu ihm gepaßt.
    Für mich hatte er – als der Ältere – lange Zeit fast einer anderen Generation angehört, aber in seinen letzten Lebensjahren schloß sich die Lücke zwischen uns allmählich. Unsere Bekannten sagten oft, wir sähen uns sehr ähnlich, doch eigentlich hatten wir nichts weiter gemein als den Wuschelkopf und das alberne Grinsen. Festus war kleiner und gedrungener, dabei aber der sportlichere von uns beiden. Außerdem war er verbindlicher, hatte mehr Geschäftssinn und mehr Glück bei den Frauen, war klüger, gerissener und gewann auch die Anerkennung der Familie viel leichter als ich. Mir war jedenfalls von klein auf klar, daß meine Eltern und auch die meisten meiner Schwestern Festus zu ihrem Liebling erkoren hatten. (Trotzdem war ich ganz schön verwöhnt worden, denn man behandelte mich als Kind immer als das Nesthäkchen, weil Maia, der diese Rolle von Rechts wegen zustand, sich aus dem ganzen Getue nichts machte.)
    Als braver römischer Bürger, den die Chance lockt, auf Kosten des Reiches nach Herzenslust essen, trinken und furzen zu können und obendrein noch die Welt zu sehen, meldete sich Festus, sobald er alt genug aussah, zum Militärdienst.
    »Dann muß er Kontakt zu eurem Vater gehabt haben«, warf Helena ein. »Er brauchte schließlich das Einverständnis des Familienoberhaupts.«
    »Stimmt. Die Musterung ist einer der wenigen Anlässe im Leben eines Mannes, wo ein abgängiger Vater verdammt peinlich werden kann.«
    »Aber du bist doch später auch in die Armee eingetreten. Wie ging denn das bei dir?«
    »Mein Großonkel Sacro ist als Vormund eingesprungen.«
    »Hattest du ihn gern, deinen Großonkel?«
    »O ja!« Onkel Sacro, ein freundlicher alter Haudegen, gab mir den Platz in der Welt zurück, um den mein Vater mich betrogen hatte.
    Wenn einer geschäftstüchtig ist, kann er es bei der Armee weit bringen. Man muß nur wissen, wie man die Vorschriften umgehen kann. Und so kam es, daß ich fünf Jahre in den unwirtlichen Nordprovinzen abreißen mußte, während mein Bruder Festus sich überall die Rosinen aus dem Kuchen pickte: Eine Zeitlang war er in Spanien stationiert, dann ging er mit der Fünfzehnten Apollinaris nach Ägypten, und als der Bürgerkrieg in Judäa ausbrach, wurde er mit seiner Einheit in den Osten geschickt. Mit diesem letzten Posten hätte er sich verrechnet haben können, doch da zu der Zeit das ganze Reich auseinanderzubrechen drohte, wäre Festus wohl in jedem Fall an der Front gelandet. Nur bewährte sich mal wieder sein Spürsinn, und er unterstellte sich prompt dem Kommando des künftigen Kaisers Vespasian. Dessen Sohn war der Befehlshaber seiner Legion, was Festus wiederum zugute kam, denn mein Bruder hatte es irgendwie zum Zenturio gebracht und konnte nun täglich vor Titus Caesar im Kriegsrat glänzen.
    In dem Jahr, als der jüdische Aufstand begann, als Nero Vespasian gegen die Rebellen ins Feld schickte und die Fünfzehnte Legion als Entsatz aus Alexandrien herbeibeordert wurde, kam Festus auf Genesungsurlaub nach Rom. Es handelte sich um eine seiner Spezialverwundungen: Sie sah so böse aus, daß er ohne weiteres den Krankenpaß bekam, aber kaum war er in Ostia an Land gegangen, konnte Festus offenbar unbeschwert so ziemlich all seinen Leidenschaften frönen – besonders denen, die mit Mädchen zu tun hatten. Vorzugsweise mit den Mädchen anderer Männer. Festus hielt es für die Pflicht der Zivilisten, einem Zenturio auf Heimaturlaub die Frau auszuleihen. Und die Frauen teilten seine Meinung.
    Doch bei der Armee herrschte nun nicht mehr die einstige Freizügigkeit. Zumindest bei den über weite Wüstengebiete verteilten Legionen war man auf jeden einzelnen Soldaten angewiesen. Und so kam es, daß Festus nach sechs Wochen in Rom, sehr zu seinem Verdruß, dringend nach Judäa

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