Poseidons Gold
zurückbeordert wurde.
»Für uns war Festus der geborene Überlebenskünstler, und als er zurück mußte, hätte keiner gedacht, daß ausgerechnet er fallen würde.«
»Festus selbst wahrscheinlich am allerwenigsten«, mutmaßte Helena. »Sag, sind wir jetzt an dem Punkt, wo ich anfange, böse zu werden?«
»Ich fürchte, ja …«
An seinem letzten Abend in Rom, der zugleich unser letztes Zusammensein war, gingen wir in den Circus Maximus. Festus war immer ein Liebhaber des Circus gewesen, hauptsächlich wegen der kessen Frauenzimmer, neben denen er auf den nicht nach Geschlechtern getrennten Rängen sitzen konnte. Er hatte eine Schwäche für diese Mädchen, die auf den wenigen ihnen eingeräumten Plätzen ihre Reize freigebig zur Schau stellten. Und das taten sie mit Begeisterung, wenn Festus in der Nähe war. Ich beobachtete dieses Phänomen mit ebensoviel Erstaunen wie Bewunderung. Übrigens funktionierte es auch, wenn – wie an dem bewußten Abend – seine langjährige Freundin Marina dabei war.
Festus fand nichts dabei, den letzten Abend seines Heimaturlaubs mit seinem jüngeren Bruder und seiner Freundin gemeinsam zu verbringen. Mir war das alles natürlich furchtbar peinlich, aber er merkte es einfach nicht. Genau wie er nie spitzzukriegen schien, daß ich scharf auf seine Freundin war.
»Diese Marina – war sie attraktiv?«
»Und wie!«
»Die nähere Beschreibung kannst du dir schenken«, fauchte Helena.
Festus hatte immer ein Faible für Frauen gehabt, nach denen sich jeder Mann umdreht. Obwohl Marina an jenem Abend schmollte, weil Festus wieder fort mußte, verschlang man sie von allen Rängen mit den Blicken, als wir unsere Plätze im Circus einnahmen. Auch später, als Festus uns durch eine Reihe von schummrigen Kneipen schleifte, fielen wir dank Marina überall auf. Sie kannte Festus seit Jahren und gehörte gewissermaßen zum Inventar, so daß sie sich den Dämchen, denen Festus ein paar Tage stürmisch den Hof machte, um sie dann ohne viel Federlesens sitzen zu lassen, mit Recht überlegen fühlte. Nach stillschweigender Übereinkunft gingen alle (womöglich mein Bruder eingeschlossen) davon aus, daß er sie irgendwann heiraten würde. Die einzige, die daran zweifelte, war unsere Mutter. Einmal gestand sie mir, sie halte es für wahrscheinlicher, daß er alle Welt vor den Kopf stoßen und eines Tages mit einem exotischen kleinen Püppchen kommen würde, das er zwar erst seit vierzehn Tagen kannte, uns dann aber als die große Liebe seines Lebens präsentieren würde. Festus hatte in der Tat eine romantische Ader. Doch er starb, bevor sich Mutters schlimme Vorahnungen erfüllen konnten, und sein Tod bewahrte sie davor, mühsam ein hergelaufenes Flittchen anzulernen, das sich für die Hausarbeit zu fein dünkte. So blieb es dann mir überlassen, die Familie mit einer unpassenden Freundin zu schockieren, während Marina unvermählt, aber auch unantastbar zurückblieb. Inzwischen gehörte Marina nämlich zur Familie, da sie uns mit der Geburt meiner Nichte Marcia beglückt hatte.
Der kleinen Marcia war die lebenslange Unterstützung der Didius-Sippe sicher. Wann immer jemand Marina gegenüber Zweifel an Festus’ Vaterschaft andeutete, parierte sie flink mit dem drohenden Hinweis, außer Festus käme nur einer in Frage – nämlich ich.
Was Helena jetzt sagte, fiel ihr sichtlich schwer. »Ich hab dich schon mal gefragt, Marcus, ob Marcia dein Kind ist. Aber da hast du’s verneint.«
Damals hatte ich Helena kaum gekannt und nur eines im Sinn: sie zu beeindrucken. Marcias Stammbaum zu erklären wäre da ungemein schwierig gewesen. Aber wer weiß – vielleicht hätte ich’s doch versuchen sollen. Jedenfalls war es jetzt nur um so schlimmer.
»Versehen wir die Sache doch einfach mit einem Fragezeichen, ja?«
Die Geschichte hatte sich folgendermaßen abgespielt: Als wir drei – Festus, Marina und ich – uns in den frühen Morgenstunden bereits einen gewaltigen Rausch angesoffen hatten, ließ mein großherziger Bruder sich in einer ordinären Kneipe unterhalb vom Caelius mit ein paar beschwipsten Künstlern ein. Diese neuen Freunde konnten es durchaus mit Festus aufnehmen, denn die Schlawiner hatten zwar keinen As in der zerschlissenen Tunikatasche, dafür aber die Courage, sich ungebeten zu anderen Leuten an den Tisch zu setzen und lautstark nach der nächsten Runde zu verlangen. Ich war zu dem Zeitpunkt hundemüde. Während des Abends hatte ich mich zwar furchtbar betrunken, war
Weitere Kostenlose Bücher