positiv verliebt (German Edition)
viel hat er ja noch nie am Stück mit mir geredet. Ich mag seine Art zu reden, die feine Ironie, die deutlich zu hören war.
„Macht von außen auf jeden Fall was her!“
Wir sehen uns an und lachen.
Fabian schließt die Haustür auf, macht das Flurlicht an und steigt voran in die fünfte Etage. Es fällt mir schwer, den Blick von seinem Hintern zu reißen, der klein und rund und begehrenswert in engen Jeans steckt und mit jedem Schritt nahezu verlockend ruft. Am liebsten würde ich meine Hand ausstrecken. Nur einmal, ganz kurz darüber streichen… ihn fühlen… Dann stehen wir auch schon vor seiner Wohnungstür und eine seltsame Befangenheit nimmt von mir Besitz. Ich muss an meine Oma denken, an die letzte Zeit, an den Krebs, die vielen Medikamente… HIV ist nicht Krebs, aber muss er nicht auch so viele Tabletten nehmen? Wird dieser seltsame Geruch nach… nach Tod und Medizin in seiner Wohnung hängen? Bin ich vielleicht doch nicht so mutig, so selbstsicher, wie ich dachte? Es fällt mir schwer, ruhig zu atmen und gegen das panische Gefühl anzukämpfen.
„Komm rein“, sagt Fabian leise, geht voran und betätigt den Lichtschalter. Innerlich wappne ich mich, versuche, cool zu bleiben, und betrete den kleinen hellen Flur. Ich halte den Atem an, spüre, wie meine Hände feucht werden, wie sich das Gewicht der Dönertüte nahezu verdoppelt, verdreifacht, mich zu Boden zwingen will und dann Geräuschvoll atme ich aus, ziehe die Luft tief ein und… nichts. Es riecht angenehm, ein wenig nach Vanille, was an dem Glas mit den Duftstäbchen liegen könnte, das auf dem kleinen Schrank neben mir steht. Verstohlen betrachte ich mein Gesicht im Spiegel und möchte mir am liebsten für meine eigene Dummheit die Zunge herausstrecken. Hatte ich wirklich erwartet, dass es nach Tod riechen würde? Meine Wangen brennen, so sehr schäme ich mich.
„Alles klar?“, fragt Fabian und sieht mich unsicher an.
„Natürlich… ich habe nur plötzlich einen Bärenhunger.“, lüge ich, denn momentan habe ich das Gefühl, dass ich keinen Bissen herunter bekomme.
Er lächelt mich an, streift seine Schuhe von den Füßen und geht links durch eine Tür. Ich folge ihm und stehe in einer winzigkleinen Küche. Die schrägen Wände sorgen dafür, dass ich am liebsten den Kopf einziehen möchte. Fabian nimmt mir die Tüte ab, öffnet eine Schranktür und holt zwei Teller heraus.
„Ich weiß echt nicht, ob ich so viel schaffe“, murmelt er vor sich hin.
„Ich hatte ganz vergessen, dass wir uns einen teilen wollten. Ich wäre immer noch dafür.“
„Was ist mit deinem Bärenhunger?“
„Kann mir dann ja noch den anderen holen.“, weiche ich seinem fragendem Blick aus.
„Also teilen?“
„Ja.“
Fabian holt ein ziemlich großes Messer aus einer Schublade, packt den Döner auf den Teller und beginnt zu schneiden. Seine Hände zittern dermaßen, dass ich befürchte, wir könnten am Ende mehr Fleisch auf dem Teller liegen haben, als geplant. Vorsichtig greife ich nach seiner Hand und schiebe ihn ein Stück zur Seite.
„Hast du Angst, dass ich mich schneide?“, erkundigt er sich.
„Ja“, gebe ich ehrlich zu.
„Wir hätten ja noch einen zweiten. Du müsstest keine Angst vor meinem verseuchten Blut haben.“ Seine Stimme ist eisig und sorgt dafür, dass die Temperatur im Raum um mindestens fünf Grad fällt. Ich brauche einen Moment, bevor ich überhaupt begreife, was ich… was er… Verdammt, das war kein Fettnäpfchen, das war mindestens ein 200 Liter Fass, in das ich gerade gefallen bin. Dabei…
„Fabian“, seufze ich und drehe mich zu ihm um. „So hatte ich das gar nicht gemeint. Ich dachte nicht daran, dass du … also … ich wollte nur nicht, dass du dich verletzt.“ Wieso fällt es mir so schwer es auszusprechen?
„Du musst dich nicht entschuldigen oder dich rausreden. Ich weiß, dass mein Blut verseucht ist. Ich bin HIV positiv. Das Virus ist in mir und es … es geht nie wieder weg… Ich … und …“ Er bricht ab und dreht sich von mir weg. Seine Schultern zucken einen Moment, aber dann richtet er sich auf und sieht mich an. „Normalerweise komme ich gut zurecht. Heute ist ein beschissener Tag. Wenn du also gehen willst, kann ich das echt verstehen.“
Ohne ein weiteres Wort lässt er mich in der Küche zurück. Fassungslos stehe ich da, starre ihm hinterher. Den Griff des Messers halte ich so fest, dass meine Knöchel schon weiß hervortreten. Zum ersten Mal wird mir bewusst, wie schwer es ist. Es
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