positiv verliebt (German Edition)
ist etwas anderes, jemanden aus der Ferne zu wollen. Vielleicht habe ich Fabian viel zu sehr idealisiert, habe seine Schwäche für Stärke gehalten, habe gedacht, ich kann ebenso stark sein. HIV ist doch kein Problem, kein Hindernis für… für alles… Es ist ein bisschen, als würde ich einen Blick in die Hölle riskieren und Fabian sitzt da unten und kämpft mit seinen Dämonen. Und ich? Bin ich überhaupt bereit, mit ihm gemeinsam zu kämpfen? Kann ich das? Noch ehe ich mir die Frage beantworten kann, sehe ich schon, wie ich am Rand des Schlundes hinabklettere. Ich habe gar keine Wahl. Ich muss es versuchen. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt zum Aufgeben.
Schnell ist der Döner in zwei Hälften geteilt. Ich durchsuche die Schubkästen nach Gabeln, schnappe die Teller und das Besteck und gehe zu der einzigen Tür, hinter der ebenfalls Licht brennt. Es ist das Wohnzimmer und Fabian sitzt auf dem Sofa, die Beine fest an den Körper gezogen. Er starrt auf den schwarzen Bildschirm des Fernsehers und wiegt sich selbst sanft hin und her. Ich hole tief Luft, setze mich neben ihn und halte ihm den Teller hin.
Fabian sieht mich einen Moment aus leeren Augen an, dann starrt er wieder nach vorn und schüttelt den Kopf.
„Ich habe keinen Hunger“, flüstert er mit erstickter Stimme.
„Du solltest aber was essen, du bist so verflucht dünn“, erwidere ich und klinge dabei wie meine eigene Mutter.
„Das kannst du doch gar nicht beurteilen.“
„Doch, denn ich beobachte dich schon ziemlich lange.“
„Was?“, brummt er entsetzt und bringt mich zum Grinsen.
„Na ja, du lässt ja niemanden an dich ran, also konnte ich dich nur aus der Ferne beobachten. Ein paar Mal habe ich es versucht, aber…“
„Ich weiß, es ist mir nicht entgangen.“
„Na immerhin.“ Ich lache und entlasse laut die Luft aus meinen Lungen. Erneut zucken seine Mundwinkel und mein Herz macht vor Freude einen kleinen Hüpfer.
„Also hier. Der Döner ist ziemlich gut, allerdings nur, solange das Fleisch noch warm ist.“
Widerwillig nimmt Fabian den Teller entgegen und stellt ihn auf seine Knie. Eine Gabel schiebe ich ebenfalls zu ihm hinüber und lehne mich zurück, um selbst mit dem Essen anzufangen.
„Was gucken wir denn da Spannendes?“, frage ich grinsend und betrachtet ebenso intensiv wie er den schwarzen Bildschirm.
„Men in Black.“, antwortet er ernst.
„Hm, ja, jetzt wo du es sagst. Aber irgendwie dachte ich, die Handlung wäre spannender.“ Nur mit Mühe unterdrücke ich ein Lachen.
„Ist eben sehr … schwarz.“
Das Lachen in seiner Stimme kann er nicht besonders gut unterdrücken.
„Kaum Action.“
Betont lässig starre ich den schwarzen Bildschirm an und stochere dabei auf meinem Teller herum.
„Die Sexszenen sind auch vollkommen unglaubwürdig“, philosophiere ich weiter.
„Absolut“, pflichtet er mir bei.
Wir essen schweigend, aber schon nach kurzer Zeit schiebt Fabian seinen Teller weg. Wenn ich nicht genau gesehen hätte, dass er sich etwas von dem Fleisch in den Mund geschoben hat, würde ich es nicht glauben. Der Inhalt seines Tellers scheint nahezu unberührt zu sein.
Er seufzt und legt sein Kinn auf die Knie. „Willst du einen anderen Film gucken?“
„Was denn?“
„Ein Blick in die Hölle.“
„Den kenne ich gar nicht“, murmle ich und spüre, dass es sich weit weniger um einen Film handelt als, um das wahre Leben. Habe ich nicht vorhin schon einen Blick in die Hölle riskiert?
„Das glaube ich dir sogar.“
„Dann mal los.“ Ich versuche, möglichst locker zu klingen, aber meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich stelle meinen Teller ebenfalls zur Seite. Er sieht kaum leerer aus als der von Fabian.
„Ich dachte, er würde mich lieben“, fängt er unvermittelt an.
„Wer? Till?“
„Ja … Es war … Ich war erst ein paar Mal in dem Club, hatte kaum Erfahrungen und eine Riesenangst und dann kommt dieser attraktive Kerl …“
Ich schnaube unkontrolliert dazwischen, was Fabian dazu bringt, mich anzusehen. Er ist so verdammt hübsch und ich würde alles dafür tun, damit dieser traurige Ausdruck aus seinen Augen verschwindet, damit er lächelt und vor allem, damit er zurücknimmt, dass Till ein attraktiver Kerl ist.
„Ich war naiv, das habe ich doch eben schon gesagt“, brummt er und es klingt beinahe entschuldigend, aber vor allem interessiert. Es klingt, als wäre er an mir interessiert!
„Na gut, das lasse ich gelten“, murre ich, obwohl ich am liebsten laut
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