Post Mortem
wissenschaftlichen Gründen keine Medikamente? Oder mögen Sie sie nicht, weil Psychologen sie nicht anwenden können?«
»Medikamente haben ihren Platz, und falls Sie diesen Weg einschlagen möchten, verweise ich Sie gerne an einen guten Kinderpsychiater. Ich habe allerdings festgestellt, dass zwanghafte Verhaltensstörung in der Kindheit gut auf nichtmedikamentöse Behandlung anspricht.«
»Zum Beispiel?«
»Kognitive Verhaltenstherapie, andere angstreduzierende Techniken. Manchmal reicht es schon, wenn man herausfindet, was das Kind in Anspannung versetzt, und es beseitigt.«
»Tanya scheint nicht nervös zu sein, Doc. Nur äußerst konzentriert.«
»Eine zwanghafte Verhaltensstörung hat ihre Ursache in Besorgnis. Ihre Angewohnheiten erfüllen ihren Zweck, so dass die Anspannung maskiert ist, aber Sie beschreiben ein stetig expandierendes Verhaltensmuster.«
Sie dachte darüber nach. »Da mögen Sie recht haben… Hören Sie, die Bemerkung über Psychologen vorhin war nicht böse gemeint.«
»Das habe ich auch nicht angenommen«, sagte ich. »Sie sind eine informierte Verbraucherin, die das Beste für ihr Kind will.«
»Ich bin eine Mutter, die ein schlechtes Gefühl hat, weil ihr Kind die Kontrolle zu verlieren scheint.
Und ich gebe mir daran die Schuld, weil ich es nötig habe, dass alles vorhersehbar und jeder glücklich ist. Und das ist ungefähr so realistisch wie der Weltfrieden.«
»Ich bin auch jemand, der es allen Leuten recht machen möchte, Ms. Bigelow. Falls ich das nicht wäre, hätte ich Anwalt werden und höhere Stundenhonorare nehmen können.«
Sie lachte. »Jetzt wo ich Ihre Bilder zurechtgerückt habe, kommen Sie mir wie ein ziemlich gut organisierter Typ vor. Also, glauben Sie, dass Sie Tanya allein durch Reden helfen können?«
»Ich würde zunächst versuchen, ein - wie nennt man es doch gleich - gutes Einvernehmen zwischen uns herzustellen, nachsehen, ob irgendetwas sie beschäftigt, wovon Sie nichts wissen, herausfinden, ob sie daran interessiert ist, das zu ändern, und ihr dabei helfen.«
»Und wenn sie nichts ändern möchte?«
»Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kinder nicht glücklich darüber sind, an all diese Rituale gebunden zu sein. Sie sehen nur keine Möglichkeit, sich davon zu befreien. Haben Sie mit ihr über irgendetwas hiervon gesprochen?«
»Ich habe damit angefangen«, sagte sie. »Letzte Wocheoder so, als sie damit begann, die Vorhänge zu küssen. Ich glaube, ich habe die Geduld verloren und zu ihr gesagt, sie solle mit dem Blödsinn aufhören. Sie hat mich mit einem Blick angesehen, der mich bis ins Mark getroffen hat.« Sie legte die rechte Hand auf die linke Brust. »Als hätte ich sie verletzt. Ich kam mir sofort wie ein richtiges Miststück vor und musste aus dem Zimmer gehen, um ein bisschen Luft zu schnappen. Als ich meinen Grips wieder beisammenhatte und zurückging, um mich zu entschuldigen, waren die Lichter aus und sie lag im Bett. Aber als ich mich zu ihr hinabbeugte, um ihr einen Kuss zu geben, war ihr Körper ganz steif, und sie hatte die Hände in die Bettdecke gekrallt - mit den Fingernägeln, wissen Sie? Ich hab mir gesagt, Mann, Patty, du versaust das Kind, es wird Zeit, den Rat eines Profis einzuholen. Ich habe mit Richard - Dr. Silverman - geredet, und als Erstes kam Ihr Name aus seinem Mund. Er sagte, Sie wären der Beste. Und nach unserem Gespräch fühle ich mich gut. Sie urteilen nicht, Sie hören zu. Und diese Titel sind auch nicht gerade ohne. Wann kann Tanya also zu Ihnen kommen?«
»In zwei Tagen habe ich etwas frei, aber falls es dringend ist, kann sie heute Abend noch vorbeikommen.«
»Nee«, sagte sie. »Ich glaube, zwei Tage halte ich noch so durch. Haben Sie einen Rat für mich, abgesehen davon, dass ich sie in Ruhe lassen und nichts Dummes sagen sollte?«
»Erklären Sie Tanya, dass Sie sie zu einem Arzt bringen, der keine Spritzen gibt und ihr in keiner Weise wehtun wird. Benutzen Sie das Wort ›Psychologe‹ und sagen Sie ihr, ich helfe Kindern, die nervös sind oder sich Sorgen machen, indem ich mit ihnen rede, sie zeichnen oder Spiele spielen lasse. Sagen Sie ihr, sie wird nicht gezwungen, irgendetwas zu tun, was sie nicht tun will.«
Sie öffnete die Aktentasche, fand einen Schreibblock, kritzelte darauf herum. »Ich glaube, das habe ich alles… Klingtgut, bis auf die Spiele. Tanya mag keine Spiele, ich kann sie nicht mal dazu bringen, ein Kartenspiel zu benutzen.«
»Was mag sie dann?«
»Zeichnen ist
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