Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Post Mortem

Post Mortem

Titel: Post Mortem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
behandle ich sie, als verstünde sie alles.«
    »Es klingt so, als funktioniere das.«
    »Und wieso bin ich dann hier, hmm?« Sie blickte nach unten auf ihre Schuhe und stellte sie nebeneinander. Bewegte sie seitwärts auseinander, bis ein Fuß dazwischen passte. »Sie haben wahrscheinlich bemerkt, dass ich ein bisschen seltsam bin, wenn es um Ordentlichkeit geht. Bei mir muss alles ganz exakt sein, alles an Ort und Stelle, keine Überraschungen. Vielleicht wegen der Sachen, die mein Vater mir angetan hat, aber wer schert sich um die Gründe, es geht darum, dass ich nun mal so bin und dass es mir gefällt. Das verleiht dem Leben eine Struktur, und wenn man viel zu tun hat, ist das eine große Hilfe, glauben Sie mir.«
    »Dinge vorhersehbar zu machen.«
    »Genau. Die Ordnung in meinem Kleiderschrank beispielsweise. Alles ist in Gruppen nach Farbe, Stil, Ärmellänge angeordnet. Die Blusen in einer Abteilung, dann die Jeans, dann die Uniformen und so weiter. Morgens etwas auszusuchen ist reine Zeitverschwendung. Wenn ich eine Schicht hatte, bei der ich noch im Dunkeln aufstehen musste, ist es ein paarmal zu Stromausfällen gekommen. Ich rede von einer Wohnung, in der es pechschwarz ist. Ich konnte mich problemlos anziehen, weil ich genau wusste, wo alles hing.«
    »Für Sie funktioniert es.«
    »Auf jeden Fall«, sagte sie. »Aber jetzt denke ich, dass ich vielleicht einiges davon besser für mich behalten, es Tanya gegenüber nicht zu erkennen gegeben hätte.«
    »Sie tut die gleichen Dinge.«
    »Sie ist für ein Kind immer ordentlich gewesen, was ich ganz prima finde. Wir machen zusammen die Wohnung sauber und haben unseren Spaß dabei. Aber in letzter Zeit ist es mehr als das. Sie hat diese kleinen Rituale entwickelt, legt sich nicht ins Bett, ohne vorher darunter nachgesehen zuhaben, zuerst fünf Mal, dann zehn Mal, und jetzt sind es fünfundzwanzig Mal, vielleicht sogar mehr. Darüber hinaus streicht sie ihre Vorhänge glatt und küsst sie, geht fünf Mal hintereinander aufs Klo, wäscht sich die Hände, bis keine Seife mehr da ist. Ich bin einmal reingekommen, und da polierte sie den Wasserhahn.«
    »Wie lange geht das schon so?«
    »Es hat um die Zeit herum angefangen, als sie fünf geworden war.«
    »Vor zwei Jahren.«
    »Ungefähr. Aber es war keine große Sache, bis vor kurzem.«
    »Gab es in letzter Zeit irgendwelche Veränderungen?«
    »Wir sind umgezogen - wohnen jetzt in einem Haus in Hancock Park zur Untermiete. Aus der Richtung gibt es keinerlei Probleme. Tanya geht's prima, von den Ritualen abgesehen.«
    »Beginnen die Rituale immer vor dem Schlafengehen?«
    »Das ist die Hochphase«, sagte sie, »aber es schwappt in andere Zeiten über, und es wirkt sich allmählich auf ihre Schularbeiten aus. Nicht in dem Sinn, dass sie ihre Pflichten vernachlässigt - ganz im Gegenteil. Sie zerreißt ihre Hausaufgaben und macht sie noch einmal, wieder und wieder, bis ich sie zwinge, damit aufzuhören. In letzter Zeit hat sie angefangen, richtig pingelig mit ihrem Lunchpaket zu werden. Wenn das Sandwich nicht exakt diagonal geschnitten ist, will sie sich ein neues machen.« Sie griff nach unten und berührte die Aktentasche. »Wollen Sie einen Blick in ihre medizinischen Unterlagen werfen?«
    »Hatte sie irgendwelche ungewöhnlichen Krankheiten oder Verletzungen?«
    »Keine.«
    »Dann sehe ich sie mir später an. Haben Sie Informationen über ihre Geburt?«
    »Nichts. Ich musste sie Titer-Tests unterziehen, um festzustellen, ob sie geimpft worden war. Sie hatte alle Impfungen bekommen, das muss ich Liddie lassen.« Sie beugte sich vor. »Sie müssen wissen, Doktor, dass ich Tanya nur ein einziges Mal gesehen hatte, bevor Liddie sie bei mir absetzte, und da war sie zwei. Sie und Liddie blieben zwei Wochen bei mir, bevor sie nach Juneau in Alaska weiterzogen. Wie ich schon sagte, ich kann nichts mit Kindern anfangen. Aber am Ende gefiel sie mir. Sie war süß, still, kam einem nicht in die Quere. So ist sie immer noch, ich könnte mir keine bessere Tochter wünschen. Es ist nur so, dass mich diese neuen Angewohnheiten daran zweifeln lassen, ob ich es richtig angepackt habe. Ich habe mich ein bisschen über zwanghafte Verhaltensstörung bei Kindern informiert, und in den Büchern steht, es könne genetische Ursachen haben, Serotonin-Aufnahme im Gehirn, man versucht eine Behandlung mit verschiedenen Medikamenten.«
    »Heutzutage wird fast alles auf Neurotransmitter zurückgeführt.«
    »Empfehlen Sie aus

Weitere Kostenlose Bücher