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Post Mortem

Post Mortem

Titel: Post Mortem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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kunstvoll geschnitzte Mandoline zu besorgen, weitere zwölf Monate damit verbracht, daran herumzuklopfen, zu hobeln und zu formen, und das fertige Produkt nur zu Ausstellungszwecken mit nach Healdsburg genommen.
    »Muss ein hübscher Einsatz gewesen sein«, sagte ich.
    »Einundzwanzigtausend.«
    »Alle Achtung. Herzlichen Glückwunsch.«
    »Ich habe mich nicht gerne von ihr getrennt, aber ein Mädchen hat seinen Preis. Nehme ich an…
    Ich vermute, ich mache mich am Sonntagmorgen auf den Weg und bin am Abend wieder zu Hause. Wie sieht dein Terminplan aus?«
    »Flexibel.«
    »Ist die kleine Blondine schon in mein Revier eingedrungen?«
    »Die kleine Blondine isst Trockenfutter und schläft den ganzen Tag.«
    »Die Stillen im Lande«, sagte sie. »Man muss sie im Auge behalten.«
    Während ich zu Tanyas Haus fuhr, dachte ich an unsere erste Begegnung zurück.
    Ein mageres, kleines blondes Mädchen, das ein Kleid, Söckchen und glänzende Sandalen trug. Sie stand mit dem Rücken an die Wand meines Wartezimmers gepresst, als sei der Teppich ein unergründliches Wasserloch.
    Als ich aus dem Büro gekommen war, hatte Patty Tanyas Wange sanft berührt. Tanyas Nicken war ernst, die Bewegung so kurz, dass sie einem Tick nahekam. Mit Fingern, die so zierlich wie Fettucine waren, hielt sie sich an der kräftigen Hand ihrer Mutter fest. Ein glänzender Fuß klopfte auf den Boden. Der andere stand fest am imaginären Ufer.
    Ich bückte mich auf die Augenhöhe des Kindes. »Nett, dich kennen zu lernen, Tanya.« Eine gemurmelte Antwort. Alles, was ich verstehen konnte, war »Sie«.
    Patty sagte: »Tanya hat sich selbst angezogen. Sie hat einen vorzüglichen Geschmack.«
    »Sehr hübsch, Tanya.«
    Tanya atmete durch den Mund. Ich roch Hamburger und Zwiebeln.
    »Gehen wir dort rein«, sagte ich. »Mom kann mitkommen, wenn du möchtest.«
    Patty sagte: »Ich muss aber nicht.« Sie umarmte das Mädchen und machte einen Schritt zurück.
    Tanya rührte sich nicht.
    »Ich bleibe genau hier, mein Schatz. Du wirst prima zurechtkommen, das verspreche ich dir.«
    Tanya blickte zu ihr hoch. Holte tief Luft. Nickte noch einmal grimmig und machte einen Schritt nach vorn.
    Sie betrachtete die Requisiten auf dem Spieltisch. Ein offenes Puppenhaus, Figürchen, die Familienmitglieder repräsentierten, Bleistifte, Buntstifte, Markierstifte, ein Stapel Papier. Der Blickkontakt mit dem Papier dauerte länger.
    »Zeichnest du gern?« Nicken.
    »Falls du jetzt Lust zum Zeichnen hast, ist das völlig okay.«
    Sie nahm einen Bleistift in die Hand und zeichnete langsam einen dünnen Kreis. Lehnte sich zurück, runzelte die Stirn. »Er ist hubbelig.«
    »Ist hubbelig okay?«
    Blassgrüne Augen musterten mich. Sie legte den Bleistift hin. »Ich bin hierhergekommen, um meine Angewohnheiten loszuwerden.«
    »Hat Mom dir das erzählt?«
    »Sie hat gesagt, wenn ich will, soll ich es Ihnen sagen.«
    »Welche Angewohnheiten machen dir am meisten zu schaffen, Tanya?«
    »Mommy hat Ihnen alle genannt.«
    »Das hat sie. Aber ich würde gern wissen, was du denkst.« Ein verblüffter Blick.
    »Es sind deine Angewohnheiten«, sagte ich. »Du bestimmst über sie.«
    »Ich will nicht über sie bestimmen.«
    »Bist du bereit, die Angewohnheiten loszuwerden?«
    Gemurmel.
    »Was hast du gesagt, Tanya?«
    »Sie sind schlimm.«
    »Schlimm im Sinne von unheimlich?«
    Kopfschütteln. »Sie halten mich auf Trab.«
    Der Bleistift war zwei Zentimeter von der Stelle entfernt, wo er ursprünglich gelegen hatte, und sie rollte ihn zurück. Richtete erst die Spitze aus, dann den Radiergummi. Richtete ihn noch mal aus und versuchte erfolglos, eine sich wellende Ecke des Papiers zu glätten.
    »Der hubbelige Kreis«, sagte ich, »könnte der Anfang eines Gesichts sein.«
    »Kann ich ihn wegwerfen?«
    »Klar.«
    Sie faltete das Blatt Papier in der Längsrichtung und entfaltete es wieder, bevor sie es entlang des Falzes langsam abriss. Dann wiederholte sie die Prozedur mit beiden Hälften.
    »Wohin damit?«
    Ich zeigte auf den Papierkorb. Sie ließ die Teile eines nach dem andern hineinfallen, sah ihnen dabei zu und kehrte an den Tisch zurück.
    »Du möchtest also deine Angewohnheiten loswerden.«
    Nicken.»Du und Mommy, ihr seid da einer Meinung.«
    »Jep.«
    »Du und Mommy seid ein Team.« Das schien sie zu verblüffen.
    »Du und Mommy seid die meiste Zeit einer Meinung.«
    »Wir lieben uns.«
    »Lieben bedeutet einer Meinung sein.«
    »Jep.«
    Sie zeichnete ein Kreispaar, einen mit dem

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