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Post Mortem

Post Mortem

Titel: Post Mortem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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du immer noch Disneyland als Lieblingsort?«
    »Auf keinen Fall«, antwortete sie. »Das ist unreif.«
    »Dann hast du einen neuen Ort.«
    Ihr Blick glitt zur Seite. »Ich sage mir einfach, dass ich mich entspannen soll.«
    »Also ist die Schule einfach?«
    »In manchen Fächern muss ich arbeiten, um Einsen zu bekommen.«
    »Einsen zu bekommen ist wichtig.«
    »Natürlich.«
    »Fühlst du dich unter Druck gesetzt?«, fragte ich.
    »Von Mommy?«
    »Von irgendjemandem?«
    »Sie sagt, ich solle mein Möglichstes tun, das ist alles. Aber . . . « Ich wartete.
    »Manchmal«, sagte sie, »ist es schwer zu lernen, wenn es so langweilig ist, aber ich zwinge mich dazu. Ich schreibe nicht gern Arbeiten, und ich hasse Sozialwissenschaften. Naturwissenschaft und Mathe sind gut, die sind logisch. Ich will Ärztin werden. Leuten zu helfen ist nützlich.«
    »Das tut deine Mutter.«
    »Mommy sagt, dass Ärzte immer bestimmen werden, Krankenschwestern nicht. Ich mag nicht gern andere um Erlaubnis bitten.« Lange Pause. »Ich glaube, Mommy ist ein bisschen nervös gewesen.«
    »Weshalb?«
    »Das sagt sie mir nicht.«
    »Hast du sie gefragt?«
    Langsam breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus.
    »Was ist daran lustig, Tanya?«
    »Ich würde sie auf keinen Fall fragen.«
    »Warum?«
    »Sie würde sagen, mit ihr wäre alles in Ordnung, und mich dann fragen, ob mit mir alles in Ordnung wäre.«
    »Du willst sie nicht beunruhigen.«
    »Sie hat alle Hände voll zu tun.«
    Ein erwachsener Gesichtsausdruck. Ich fragte mich, wie viel Zeit sie mit Kindern ihres Alters verbrachte.
    »Woran erkennst du, dass sie nervös gewesen ist, Tanya?«
    »Sie kann nicht lange stillsitzen . . . hängt die Bilder gerade. Manchmal macht sie einen besorgten Eindruck.« Sie rutschte in dem Sessel hin und her. »Mir geht's wirklich gut, ich glaube nicht, dass ich noch einmal herkommen muss.«
    »Wo du schon mal hier bist: Gibt es sonst noch etwas, worüber du sprechen möchtest?«
    »Was zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel wie es dich beeinflusst, wenn Mommy nervös ist.«
    »Bitte sagen Sie ihr nicht, dass ich es Ihnen erzählt habe.«
    »Versprochen«, erwiderte ich. »Dieselbe Regel, die wir beim ersten Mal hatten.«
    »Sie erzählen nichts, solange ich es nicht will«, sagte sie. »Sie tut es, nachdem ich ins Bett gegangen bin, weil sie denkt, ich höre es nicht.«
    »Aufräumen?«
    »Sie wischt den Boden, obwohl er sauber ist. Nimmt Dosen von den Regalen in der Küche und stellt sie wieder rein. Ich höre Türen auf und zugehen, und wenn sie Stühle be wegt, rutschen sie manchmal über den Boden. Sie macht es nachts, weil sie nicht will, dass ich es merke. Vielleicht glaubt sie, ich stecke mich an.«
    »Wie bei einer Erkältung.«
    »Kann das passieren?«
    »Es gibt keine Bakterien für Angewohnheiten, aber manchmal imitieren wir Menschen, wenn wir mit ihnen zusammenleben.«
    Sie nagte an ihrer Unterlippe. »Sollte ich Mommy bei ihren Angewohnheiten zu helfen versuchen?«
    »Was würde sie deiner Ansicht nach sagen, wenn du es ihr anbietest?«
    Breites Lächeln. »›Mir geht's prima, Honey.‹ Aber ich würde ihr trotzdem gern helfen.«
    »Ich glaube, das Beste, was du für sie tun kannst, ist das, was du gerade tust. Mit allen Problemen fertigwerden, mit denen du fertigwerden kannst, aber um Hilfe bitten, wenn du es nicht kannst.«
    Sie brauchte lange, um das zu verdauen. »Falls es noch mal passiert, werde ich wiederkommen.«
    »Ich höre immer gerne von dir. Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn irgendwas nicht in Ordnung ist.«
    »Wirklich?«, sagte sie. »Vielleicht tue ich das.«
    Dazu kam es nie.
    Am nächsten Tag rief Patty mich an. »Ich weiß nicht, was Sie tun, aber es ist ein Wunder. Sie geht zu Ihnen, und danach geht es ihr prima.«
    »Sie ist richtig gut darin geworden, sich selbst zu verstehen«, sagte ich.
    »Das bezweifle ich nicht, aber Sie geben ihr eindeutig die Richtung vor. Ganz herzlichen Dank, Doktor. Es ist gut zu wissen, dass Sie zu erreichen sind.«
    »Gibt es noch etwas, wobei ich Ihnen helfen kann?«
    »Nein, da fallt mir nichts ein.«
    »War der Umzug problemlos?«
    »Alles ist prima. Vielen Dank, Doktor. Bye.«

12
    Ich legte Tanyas Behandlungsblatt beiseite und fragte mich, ob es zwischen Tanyas Kindheitssymptomen und der »schrecklichen Sache«, die Patty in ihren letzten Stunden beschäftigt hatte, eine Verbindung gab.
    Oder hatte Milo recht, und es lief alles auf einen letzten Anfall obsessiven Denkens bei einer Frau

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