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Post Mortem

Post Mortem

Titel: Post Mortem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Porträt eines George-Washington-Doppelgängers mit weißer Perücke beherrscht. Rechts von dem Gemälde wurde ein Durchgang von einer Glastür erhellt, die einen ausgedehnten Garten präsentierte.
    »Hey«, sagte der junge Mann. Er war Mitte zwanzig, von mittlerer Größe, hatte krause dunkle Haare und unsichere braune Augen. Blasser Teint, das gequält-gute Aussehen eines Teenager-Idols durch Reste von Babyspeck weicher gemacht. Er hielt sich nicht sehr gerade. Trug ein zerknittertes blaues Hemd mit bis zu den Ellbogen hochgekrempelten Ärmeln, eine olivgrüne Cargohose und gelbe Sportschuhe mit offenen Schnürsenkeln. Seine Finger waren tintenfleckig. Die Timex an seinem linken Handgelenk hatte schon viel gesehen. Milo hätte sie gutgeheißen.
    »Polizei«, sagte America und riskierte es noch einmal, Blanches Stirn zu berühren. Der junge Mann sah amüsiert zu. »Cooler Hund. Polizei? Worum geht's?«
    »Ich bin kein Polizist, aber ich arbeite mit der Polizei im Rahmen einer Untersuchung zusammen, bei der es um eine Frau geht, die vor ungefähr zehn Jahren hier gearbeitet hat.«
    »Wie sieht die Zusammenarbeit aus?« Ich zeigte ihm das Abzeichen. »Ein Doktortitel? In welchem Fach?«
    »In Psychologie.«
    »Ausgezeichnet«, sagte er. »Wenn alles gutgeht, werde ich auch so einen haben. Nicht in Psychologie, sondern in Physik. Vor zehn Jahren? Was ist das, einer von diesen kalten Fällen? Erstellen Sie ein Verbrecherprofil?«
    »Nichts Glamouröses. Es ist eine finanzielle Untersuchung.«
    »Wegen jemandem, der hier gearbeitet hat - meinen Sie Cecilia? Hat Dad verabsäumt, die Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen?«
    America verkrampfte sich.
    »Nicht Cecilia«, sagte ich, »eine Frau namens Patricia Bigelow. Aber wenn Cecilia sich an sie erinnert, wäre das eine Hilfe.«
    Er schaute America an. Sie erklärte: »Ich ihm sagen, Cecilia in Guatemala.«
    »Ich erinnere mich an Patty«, sagte er. »Die Krankenschwester, die sich um meinen Großvater gekümmert hat.« Er streckte eine weiche, tintenfleckige Hand aus. »Kyle Bedard. Was hat sie gemacht?«
    »Sie ist gestorben, aber es geht nicht um einen Mord. Ich kann nicht ins Detail gehen.«
    »Klingt interessant«, sagte er. »Wollen Sie reinkommen?«
    »Miester Kyle«, protestierte America, »Ihre Vater meinen -«
    »Keine Sorge«, sagte Kyle Bedard, »das geht schon in Ordnung.«
    Als er mich hereinließ, ging sie weg und knetete das Poliertuch zwischen den Fingern.
    Der ganze Stein senkte die Temperatur um acht Grad. Als ich mir das Gemälde des Washington-Doppelgängers genauer ansah, lachte Kyle Bedard leise in sich hinein. »Meine Eltern haben bei Sotheby's zu viel Geld dafür bezahlt, weil ein Kunstberater sie davon überzeugt hat, dass es sich um ein Familienerbstück handelt. Ich wette, dass irgendein Kleckser Dutzende davon für viktorianische Emporkömmlinge rausgehauen hat.«
    Hinter einer Tür aus Walnussholz auf der linken Seite, die einen Kalksteinsturz mit Blütenstielen besaß, lag ein mit Büchern ausgekleideter Raum. Die Ausstattung war »Reiche-Leute-Bibliothek«:
    so viel Ledereinbände, dass eine Herde dafür sterben musste, an einer geätzten Messingstange hängende blaue Samtvorhänge mit goldenen Quasten, die dem Tageslicht den Zugang versperrten und bis auf den mit Messing eingefassten Parkettboden fielen, ein schwerer blau-beigefarbener Sarouk, der den größten Teil des Holzes bedeckte.
    Auf einem geschnitzten Partner-Schreibtisch standen bronzene Tiffany-Stücke. Eine Libellenlampe verströmte brandyfarbenes Licht. Ledersessel hingen durch, wo Hintern einen Eindruck hinterlassen hatten. Ein paar strategisch platzierte Gemälde von Jagdszenen vervollständigten das Bild.
    Das Zimmer, das Tanya beschrieben hatte, wo der alte Mann in seinem Rollstuhl gesessen, gelesen und gedöst hatte.
    Aber es waren Elemente eingedrungen, die zu diesem Bild im Widerspruch standen: ein giftgrüner Sitzsack in der Mitte des Teppichs, Stapel von Lehrbüchern und Notizbüchern und losen Blättern, drei leere Fried-Chicken-Behälter, ein Pizzakarton, Chipstüten in verschiedenen Geschmacksrich tungen und Schattierungen, Limodosen, Bierdosen, zerknüllte Papierservietten, verstreute Krümel.
    Ein schicker silberner Laptop ruhte auf dem Sitzsack und erstrahlte in einem unheimlichen Licht, während sich der Bildschirmschoner verschob: Ein Albert Einstein mit vorquellenden Augen verwandelte sich in einen verdrießlichen Jim Morrison, dann in die Three

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