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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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Küche. Gudrun hörte ihre Schritte auf der Treppe, hörte das Klirren des Schlüssels im Schloss und dann, dass die Kellertür schwer ins Schloss fiel. Anschließend herrschte Ruhe.
    Sie stöhnte vor Schmerz, rasender Panik und unbändiger Wut. Von diesen heftigen Gefühlen, die in ihrem Inneren tobten, war sie wie gelähmt. Als sie den Blick hob, sah sie, dass Harald in der Tür des Schlafzimmers stand, in Unterhemd und –hose und Socken, und stumm auf sie hinabsah. In seinem Blick lag kein Mitleid.

14.
    Dass etwas Außergewöhnliches geschehen sein musste, hörte er daran, dass Bewegung im Keller war. Obwohl sein Gefängnis gut gegen Geräusche gedämmt war, konnte er wahrnehmen, dass sich ein Mensch in den anderen Kellerräumen zu schaffen machte. Es klang so, als öffnete jemand alle Türen und schlug sie dann wieder zu. Aber noch bevor er darüber nachdenken konnte, was dort draußen vor sich ging, wurde die Tür zu seinem Raum aufgeschlossen und weit aufgerissen. Als er sie sah, glaubte er, dass sie seine Rettung sein musste. Sie war von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet, und blondes Haar umrahmte ihren Kopf wie ein Heiligenschein. Sie stand im Türrahmen und starrte ihn an, als könne sie nicht glauben, was sie sah. Er wollte etwas zu ihr sagen, aber die Worte verließen seinen Mund nicht, sie blieben ihm im Hals stecken. Diese Frau war gekommen, um ihn zu befreien! Endlich! Anstatt ihr zu danken oder sie zu bitten, ihn endlich loszumachen, lachte er. Er lachte, befreit, bis ihm die Tränen kamen. Seine Retterin, sein Engel löste sich von der Tür und trat zu ihm. Sie ging in die Hocke, nahm seinen Kopf in beide Hände und versuchte, ihn zu beruhigen. Sie begann, zart über seine Haare zu streichen und über die Wangen, und sein hysterisches Lachen ging in Schluchzen über. Jetzt kamen auch die Worte wieder zurück.
    »Danke. Danke«, flüsterte er und schloss erleichtert dieAugen. Für einen Moment hatte er seine Kontrolle verloren, aber er glaubte, sich das leisten zu können. Er würde hier rauskommen, frei sein.
    »Es tut mir so leid«, sagte seine Retterin, und er hatte nie eine schönere Stimme gehört als ihre. Er schloss die Augen und atmete tief ein. Sein Martyrium hatte ein Ende. Sein rechtes Handgelenk brannte, und er betete zu einem Gott, dass er endlich von dieser verfickten Heizung befreit würde und aus diesem Scheißkellerloch. Aber seine Retterin machte keine Anstalten, ihn loszumachen. Sie streichelte mechanisch seinen Kopf, anstatt schnellstmöglich den Schlüssel für die Handschellen herauszuholen.
    Er löste sich von ihr und sah sie an. Sie war nicht schön, sie war kein Engel, und sie hatte eine Fahne. Ihre blauen Augen waren matt und die Tränensäcke darunter grau und faltig. Das blonde Haar, das ihm wie ein Heiligenschein erschienen war, war durchzogen von grauen Strähnen. Sie lächelte nicht, sondern sah ihn bekümmert an. Er rückte noch ein weiteres Stück von ihr ab und versteifte sich. »Wer sind Sie?«
    Nun wich auch sie etwas zurück, blieb aber in der Hocke sitzen, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein. »Ich wohne hier. Bei meiner Mutter«, antwortete sie. Ihre Stimme klang wackelig, unsicher.
    Also die Tochter , schoss es ihm durch den Kopf, und der Schmerz des Begreifens war so umfassend, dass er ihn körperlich zu spüren meinte. »Sie sind gar nicht gekommen, um mich zu befreien.«
    Sie blickte ihn an. Offen. Verletzt. Hilflos. Ihr Blick hatte nichts Verschlagenes, er erkannte, dass sie in dem bösen Spiel der Alten keine Figur war. Sie war hier hineingeraten. Zufall?
    »Ich …«, verlegen drehte sie an ihrer Perlenkette herum, »ich weiß nicht. Vielleicht.«
    Sie schien nachzudenken und sicherer zu werden. Er hielt es für das Beste, zu schweigen. Wenn er jetzt versuchte, sie zu beeinflussen, würde sie sich zurückziehen. Der Schmerz in seiner Brust war verflogen, er erkannte die Chance, die sich ihm bot. Das war sein großes Talent: Chancen zu erkennen, Gelegenheiten wahrzunehmen, noch bevor andere sie sehen konnten. In die Lücken grätschen. Das war es, was ihn in seinem Job großgemacht hatte. Warum er die Märkte im Griff hatte. Weil er in Sekundenschnelle begriff und handelte. An ihrem Zögern hatte er erkannt, dass er sie auf seine Seite bekommen musste. Und dazu brauchte er Zeit und Fingerspitzengefühl. Was die Zeit betraf, so lag die leider nicht in seinem Ermessen. Aber das mit dem Gefühl, das würde er hinkriegen.
    Die Frau sah ihn noch immer an, jetzt

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