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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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in der Ortsmitte, wenige Fußminuten von Thalmeiers Haus entfernt.
    Thalmeier war neugierig, was der junge Mann ihm zu sagen hatte, denn es schien ihm offensichtlich schwerzufallen. Aus dem Telefonhörer kam nur Atmen und Rascheln. Der alte Mann beschloss, dem Jungen auf die Sprünge zu helfen.
    »Das ist aber nett, dass du mich anrufst, Noah. Allerdings hast du bestimmt was auf dem Herzen. Schließlich rufst du mich sicher nicht nur zum Ratschen an, oder?«
    Noah lachte nervös. »Ja, stimmt schon.« Er schluckte, das hörte Thalmeier durch den Hörer. »Es ist was passiert, hier. Und … mir glaubt das einfach keiner. Aber es hat mit Mord zu tun, und da habe ich gedacht … Sie sind der Richtige.«
    »Mit Mord! Oha! Da bin ich jetzt aber gespannt.« Thalmeier schmunzelte. Er glaubte keine Sekunde, dass die Geschichte, die er gleich zu hören bekommen würde, tatsächlich mit Mord zu tun hatte. Es war ein Phänomen, das Menschen in seinem Beruf häufig begegnete. Kaum offenbarte man, dass man bei der Polizei arbeitete, dauerte es nicht lange, und der Gesprächspartner gab eine Begebenheit zum Besten, um die die Polizei sich doch mal kümmern sollte. VerdächtigeGeräusche aus der Nachbarwohnung, auffällige Autos, das blaue Auge der Putzfrau – jede Kleinigkeit wurde angesichts eines Polizisten, eines Mordermittlers gar, zum untrüglichen Indiz eines Gewaltverbrechens.
    Aber als Noah mit seiner Geschichte loslegte, hörte Thalmeier peu à peu auf, sich zu amüsieren, und lauschte stattdessen konzentriert. Noah sprach hastig, er wiederholte sich, sprang vor und zurück im chronologischen Ablauf und vor allem: Sein Bericht war derart gespickt mit »Boahs« und »Eys« und »Alter«, dass Thalmeier sich ernsthaft fragte, wie man es schaffen konnte, mit diesem Sprachduktus bis zur neunten Klasse eines bayerischen Gymnasiums zu kommen. Aber die Quintessenz, dass in der Schubkarre von Frau von Rechlin eine in eine Decke gewickelte Leiche gelegen hatte, blieb bei Thalmeier hängen. Obwohl die Geschichte kurios war und Noah immer betonte, dass keiner in seiner Familie, auch Johannes Stifter nicht, ihm Glauben schenkte, stieß er bei dem pensionierten Mordermittler auf offene Ohren. Denn Thalmeier wusste, wie man Fragen stellte. Und Noah konnte sie alle beantworten. Obwohl er das Bild nur wenige Sekunden im Schein der Taschenlampe gesehen hatte, wusste er doch jedes Detail zu beschreiben. Welche Schuhe die mutmaßliche Leiche getragen hatte, welche Farben die Socken und die Hosenbeine gehabt hatten und welche Beschaffenheit die Decke. Und selbst wenn es eine Erklärung für diese Szene gab, so fand Thalmeier, dass genug Fragen offenblieben, denen nachzugehen sich lohnen könnte. Jedenfalls für einen Kommissar im Ruhestand.
    »Und«, fragte Noah ein wenig atemlos, als er mit seiner Geschichte endete, »glauben Sie mir?«
    Georg Thalmeier überlegte sich seine Antwort gründlich.Es war nicht angeraten, pubertierende Jugendliche in ihrer vielleicht überbordenden Phantasie noch zu befeuern, andererseits war es ihm wichtig, Noah ernst zu nehmen und ihm nicht das Gefühl zu geben, er würde ihm sein Erlebnis nicht glauben.
    »Zunächst einmal«, entgegnete Thalmeier schließlich, »ist es wichtig, dass du mit niemandem mehr darüber sprichst. Auch dein Freund nicht. Behaltet das für euch. Ich weiß nicht, ob da was dran ist, aber ich sage mal: Es könnte.«
    Noah atmete am anderen Ende der Leitung hörbar aus. »Danke«, sagte er mit leiser Stimme, »die denken alle, wir spinnen.«
    »Ich denke nur, ihr spinnt, weil ihr nachts in fremde Gärten einsteigt!«
    »Ja, sorry.« Die Stimme wurde noch dünner. »War ’ne Scheißidee. Aber nach der Sache, ey – das war das letzte Mal! Aber so was von.«
    Thalmeier dachte nach. Er wollte Noah gerne etwas anbieten – Hilfe, ein Zeichen, etwas, das ihn beruhigen konnte.
    »Ist der Johannes in der Nähe?«
    »Weiß nicht. Ich schau mal.«
    Durch das Telefon konnte man die Schritte hören, und Thalmeier stellte sich den Weg vor, den Noah nun durch das Lanzsche Haus nahm, raus in den Garten, hinüber zu Stifters kleiner Hütte.
    »Ja«, sagte Noah. Der ist da.« Und an jemand anderen gerichtet: »Ist für Sie. Der Bulle.«
    »Stifter.«
    Thalmeier hörte Stifter die Verwunderung an. »Ich bin’s. Schorsch.«
    »Hallo. Warum rufen Sie, rufst du denn bei den Lanz an?«
    »Ich habe nicht bei den Lanz angerufen, sondern der Noah mich.«
    Kurze Irritation am anderen Ende der Leitung. »Ahhh

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