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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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Den Kniff mit dem eingewickelten Steak hatte er von Kyra, die sich seiner spärlichen Junggesellenkochkünste mitleidig angenommen hatte. »Von der alten Rechlin oder der jungen?«
    »Weder noch.« Noah machte eine dramatische Pause und fasste Stifter am Oberarm. »Ein Greis. Der war mindestens zwei Meter groß. Voll gruselig. Und«, Noah senkte die Stimme, »er hatte nur ein Auge. Also, keine Ahnung, nur ein richtiges halt.«
    Das überraschte Stifter nun tatsächlich. Denn der Mann, von dem Noah hier sprach, konnte nur derjenige sein, demer den Weg in die Wettersteinstraße gewiesen hatte. Der mit dem dunkelblauen Benz und dem ungarischen Kennzeichen.
    »Wie konntest du das sehen, wenn der dich geblendet hat?« Stifter war nun tatsächlich neugierig auf die Geschichte geworden.
    »Der hat sofort gebrüllt und mit der Lampe rumgefuchtelt. Und dann hat der Luki versucht, mir aus dem Grab zu helfen, und da hat der Alte den Luki angeleuchtet. Und da hab ich es gesehen. Das eine Auge war voll behindert.«
    Stifter rüttelte an der Pfanne und wendete die Bratkartoffeln. »Und woher willst du wissen, dass es ein Grab war? Es ist einfach eine Grube im Garten gewesen.«
    »Weil …« Noah schluckte, starrte auf die Bratkartoffeln, und es sah aus, als liefe die Szene des gestrigen Abends vor seinem inneren Auge erneut ab. »Weil da eine Schubkarre stand. Mit einer eingewickelten Leiche drin.« Er sah Stifter jetzt direkt ins Gesicht, und seine Augen waren schreckgeweitet. »Die Schuhe haben unten rausgeguckt. Wir haben es beide genau gesehen. Der Luki und ich.«
    Stifter hatte wohl gehört, was der Junge ihm gerade erzählt hatte. Aber er weigerte sich, die Worte zu begreifen. Zu verrückt klang die Räuberpistole, die Noah ihm aufzutischen versuchte. Der Geruch von Verbranntem stieg ihm in die Nase, und er zog rasch die Pfanne von der Gasflamme. Er wollte das Gehörte nicht kommentieren, stattdessen richtete er sich seinen Teller an, mit dem Steak und den Kartoffeln. Dazu die kleine Müslischüssel mit Salat und eine große Apfelschorle. Er stellte alles auf ein Tablett. Noah sah ihm schweigend zu.
    »Du glaubst mir nicht, oder?« Seine Stimme klang enttäuscht.
    »Also ehrlich …« Stifter nahm das Tablett, um nach draußen zu gehen. Dazu musste er an Noah vorbei, der seinen Blick suchte. Er sah den Jungen an.
    Dieser hielt den Augenkontakt zwei Sekunden. »Schon klar, Alter. Das glaubt uns eh keiner.« Damit drehte Noah sich um und schlurfte aus der Hütte. Die Schultern hingen nach unten, die Spannung war wieder aus dem schlaksigen Körper gewichen, und Stifter sah dem mageren Rücken an, dass der Teenager mehr von ihm erwartet hatte. Es tat ihm leid, dass er Noahs Hoffnung auf Verständnis nicht einlösen konnte, aber die Vorstellung, dass der einäugige Greis aus Ungarn im Garten derer von Rechlin mitten in der Nacht eine Grube aushob, war bizarr genug. Allerdings musste die Geschichte bis hierher wahr sein, denn den Alten konnte Noah sich nicht ausgedacht haben. Aber dass es sich dabei um ein Grab handelte, das kam ihm allzu phantastisch vor. Johannes Stifter stellte das Tablett auf den wackligen kleinen Gartentisch vor seiner Hütte, zog sich den Stuhl heran und blickte auf die Mahlzeit. Er hatte sich so auf sein Essen gefreut, aber jetzt war ihm der Appetit vergangen.
    *
    Das hätte niemals passieren dürfen. Dass jemand sie ertappte. Gudrun konnte nur beten, dass die Buben die Schubkarre nicht gesehen hatten. Oder zumindest nicht gesehen hatten, was darin lag. Harald war nach dem Ereignis kurz davor gewesen, abzureisen, so außer sich war er gewesen. Sie hatte große Mühe gehabt, ihn zu überreden, dazubleiben und die Sache zu Ende zu führen. Sofort, nachdem Harald den Jungen in der Grube angeleuchtet hatte, hatte sie versucht, sichden anderen zu schnappen, aber Harald hatte sie zurückgehalten. Er hatte die beiden kleinen Verbrecher abhauen lassen. Seiner Meinung nach war das klüger, als sie zu stellen. Auf diese Weise waren sie so schnell wie möglich wieder aus ihrem Garten verschwunden, mit einem gehörigen Schreck in den Knochen, und würden nachher nicht mehr genau wissen, was sie tatsächlich gesehen und erlebt hatten und was ihrer Phantasie entsprungen war. Wenn sie die Buben dagegen festgehalten hätten, wäre die Gefahr, dass die beiden Julius entdeckt hätten, umso größer gewesen. Und dann?, hatte Harald sie spöttisch gefragt, was hättest du dann gemacht? Sie ebenfalls in den Keller gesperrt?

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