Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
sich, wie schnell seine Schritte vom Weg abweichen würden, um wieviel er den Wagen verfehlen würde, Zentimeter oder Meter. Er spürte, wie die Hündin auf die Schneeschuhe trat, wußte, daß sie ihm blind folgte.
    Unerklärlicherweise kam ihm der Gedanke, daß Jack nicht Starrs erster Ehemann war. Sie war mit einem Milchfarmer in Wisconsin verheiratet gewesen, hatte erwachsene Kinder im Seengebiet, die sie nie besuchten. Soviel wußte Loyal. Warum dachte er jetzt daran? Schließlich war es Jack, an dem ihm lag.
    Wie lange brauchte man, um hundertfünfzig Meter bei einem Gegenwind von hundert Stundenkilometern zurückzulegen? Der Wagen war so klein. Es war, als wollte man eine Nadel im Heuhaufen finden. Die Hündin hing an seinen Schneeschuhen. Er wagte nicht, sich umzudrehen und sie anzuschreien, weil er Angst hatte, vom Weg abzukommen. Mit gesenktem Kopf, eine Hand vor dem Mund, um atmen zu können, ging er vorwärts. Sein Gesicht war taub. Er wischte sich über die schneeverklebten Augen. Der Wind hielt kurz inne, als würde das Untier Atem schöpfen, und durch den nachlassenden Schnee sah Loyal den Wagen fünfzehn Meter weiter vorne zu seiner Linken. Er hatte sich bereits auf verhängnisvolle Weise davon wegbewegt.
    Er wandte sich wieder darauf zu, aber bevor er drei Schritte gemacht hatte, hüllte ihn die weiße Leere erneut ein, schleuderte und schüttelte ihn. Zehn Schritte. Elbows torkelte. Er hätte dasein müssen, war es aber nicht. Noch einer. Noch einer. Die Arme ausgestreckt. Und streifte die Seite des Wagens.
    Herrgott, wie überstanden die Prärieindianer diese Blizzards in ihren Zelten aus Fell?
    Der Wagen schaukelte im kreischenden Wind. Er hängte die Schneeschuhe innen an die Tür und ließ sie abtropfen, warf einen Holzklotz in den Ofen. Goß Wasser in die Kaffeekanne und fing an, die Bohnen zu mahlen, stieg über die Hündin. Sie zog sich mit den Zähnen Eiskugeln von den Vorderbeinen und wedelte mit dem Schwanz, als er sich bückte, um ihren schmalen Kopf zu streicheln.
    »Das war knapp, Mädel. Beinahe wären wir an dem verdammten Wagen vorbei- und bis nach Santa Fe gelaufen. Hätt’ der Wind nicht die kleine Pause eingelegt, wir wären immer noch da draußen. Würden wahrscheinlich versuchen, aus zwei Schneeschuhen und einem Gebet ein Tipi zu bauen.«
     
    In diesem Frühjahr erzielten seine Pelze bei der Versteigerung einen Durchschnittspreis von siebzig Dollar - ein Spitzengeld. Die schneeweißen, weichen Häute waren erstklassig, das Fell lang, flauschig und glänzend. Pierre Faure, der Hudson-Bay-Käufer, lud Loyal auf ein Glas ein.
    »Spitzenware, Loyal. Ich weiß nicht, was ihr alten Knaben macht, aber eure Pelze sind verdammt schön. Auch Peyo hat ein paar wunderbare Füchse und Rotluchse gebracht. Hast du seine Pelze gesehen? Kirschroter Fuchs, gute, saubere Pelze. Einfach erstklassig. Na ja, Adler machen keine Jagd auf Fliegen. Ich hab’ hier Pelze gesehen von jungen Kerlen, da war’s nicht der Mühe wert, die Tiere zu erlegen. Völlig aus der Form. Ich hab’ einen Luchs gesehen, der aussah wie eine Kanadagans, so hatte der Kerl den Hals langgezogen und den Kopf zusammengedrückt. Eine Verschwendung. Diese Trottel machen’s den Fallenstellern schwer. Und eins steht fest, auf die Fallensteller kommen schwere Zeiten zu.«
    »Was willst du damit sagen? Gehen die Preise wieder runter?«
    »Nicht nur das, mein Freund. Du hörst das Grollen da draußen vielleicht nicht so, mit deinem Korb voll Fallen und dem Wind, aber wir Händler kriegen ganz schön was ab. Und das hört nicht so schnell auf. Ich rede von Tierschützern, die gegen Fallenstellen und Pelzmäntel sind. Nur ein Beispiel: Vor ein paar Wochen hat sich in Chicago eine Gruppe von diesen Leuten vor einem der teuren Läden aufgestellt und jede Frau, die in einem Pelzmantel rauskam, mit weißer Farbe besprüht. In New York marschieren sie vor den Kürschnerläden auf und ab und tragen Schilder mit der Aufschrift ›Mörder‹ oder ›Pelze stehen nur den Lebewesen gut, denen die Natur sie verliehen hat‹. Dann gibt’s noch die anderen, die gegen das Fallenstellen überhaupt sind. Diese Leute werden stärker.«
    Loyal lachte. »Das sind doch bloß ein paar Leute, die Krach schlagen. Ich hab’ gehört, daß die Fallenstellervereinigung eine Pressemeldung herausgegeben hat, die ihre Motive entlarvt.«
    »Das gibt doch zu denken, Loyal. Wenn man beweisen muß, daß man im Recht ist, ist man wahrscheinlich im Unrecht. Meiner

Weitere Kostenlose Bücher