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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Sand, und drei rannten im Kreis herum, machten plötzlich kehrt oder schossen quer und liefen davon, um sich immer wieder zu kugeln. Aber als er Jack und Starr hinausführte, damit sie die Kojoten beim Spielen sehen konnten, zeigten sich die Kojoten nicht, und ein schwerer Regen hatte ihre Spuren geglättet. Jack schaute zum Himmel hinauf und schätzte die Zeitverschwendung ab.
    »Wirklich lehrreich, Loyal«, sagte Starr mit ihrer sarkastischen, witzelnden Stimme.
    Starr konnte er ertragen. Er konnte bei ihr in der Küche sitzen, Kaffee trinken, sich mit ihr unterhalten und scherzen, als wäre sie ein Mann. Er konnte sie mögen. Nichts passierte. Es wurde ihm nicht eng in der Brust, sein Atem kam so locker, als würde er sich mit Jack gegen den Zaun lehnen. Vielleicht war es vorbei. Vielleicht war dieser Teil des Problems vorbei. Vielleicht, weil er jetzt so verdammt alt war, und auch Starr war alt, hatte lockiges weißes Haar und ein breites Gestell; aber ihr Kropftaubenblick aus tiefster Seele und ihre blauen Augen mit den dunklen Wimpern waren hübsch und weiblich. Sie war weder vertrocknet, noch sah sie aus wie ein Mann. Er konnte sogar daran denken, sich mit ihr ins Büffelgras zu legen, während er plaudernd in der Küche saß, aber in seinen Lenden stieg keine Hitze auf, und er atmete weiter. Also war es vielleicht wirklich vorbei. Wenn das keine traurige Erleichterung war.
    Sechs Winter lang stellte er auf Jacks Land Fallen, wobei der größte Teil gar nicht Jacks Eigentum, sondern von der Regierung gepachtet war. Er kannte dieses Land so gut, daß er sogar mit verbundenen Augen zu den Duftmarken und Scharrlöchern fand, am Rand der roten Hochebene, auf dem Grat eines Bergrückens, in dem Gebiet, wo der Weg anzusteigen begann, dort, wo die Kojoten Jacks Jeepspur kreuzten, am Rand des Canyons, sogar an alten Stellen, wo sie gute Beute gemacht hatten und die Rinder- oder Elchgerippe zu Gestank und Knochen verwest waren und zwei Jahre später nichts mehr übrig war außer Erinnerungen und weißen Bruchstükken.
     
    Ein Wintersturm auf Jacks Land hätte ihm beinahe den Rest gegeben. Er trat in die trockene Kälte hinaus, der Dezembermorgen war unheilvoll still, der Himmel schmutzig. Loser Schnee lag wie Federn zu seinen Füßen, reichte ihm in hinterhältigen Senken bis zu den Knöcheln, lappte in Wogen über den Boden, als ob die Ebene erschauderte wie ein von Träumen gepeinigtes, schlafendes Tier. Er zauderte, beobachtete den sich türmenden Schnee. Elbows jaulte, verdrehte ihre traurigen Augen sehnsüchtig zum Wagen hin. Er hatte vor, die Strecke abzugehen, um drei Uhr im frühen Dämmerlicht des Winters zurück zu sein, mit Jack und Starr im Ranchhaus zu Abend zu essen. Das tat er einmal in der Woche, um zur Abwechslung eine andere Küche zu schmecken. Starr machte manchmal ein Käsesoufflé. Davon schien er nicht genug kriegen zu können.
    Er zog die Schneeschuhe an, schnallte sein Bündel um und zog los. Die Hündin trottete widerstrebend neben ihm her, schaute oft zurück, machte jedesmal halb kehrt, wenn Loyal langsamer ging oder stehenblieb. Der unheimliche, pulsierende Schnee reichte ihm bis halb über die Schienbeine. In dem knirschenden Gewirbel konnte er zwar seine Schneeschuhe nicht sehen, aber einen knappen Kilometer vor ihm zeichnete sich klar der Howling Rock ab, eine braune Felsplatte, die aus der Wand des Tafellandes herausragte wie eine Zigarette aus dem Mund eines Rauchers.
    Die Luft, die er an seinem Gesicht spürte, war reglos, doch der Schnee wirbelte bis zu seinen Knien hoch, ein Wirbeln, das ihn schwindelig machte. Am Himmel brummte etwas, die Hündin versank im Pulverschnee. Er spürte, wie der Schnee ihm in die Beine stach, und wußte plötzlich, was passieren würde. Seit Jahren hatte er davon gehört, war aber noch nie in einen dieser schrecklichen Blizzards geraten. Ein wenig erschrocken machte er kehrt. Elbows rannte immer wieder auf die Enden seiner Schneeschuhe, brachte ihn zum Stolpern. Er lief, den Blick auf den Wagen geheftet, ein grauer Buckel vor dem sich auflösenden Himmel.
    Nicht einmal hundertfünfzig Meter vom Wagen entfernt entlud sich der Blizzard über seinem Kopf, ließ alles in einem Geheul aus Wind untergehen. Der Wind verstopfte ihm Mund und Nase mit von Schneekristallen erfüllter Luft. Er konnte nichts sehen. Schnee verklebte ihm die Lider, füllte ihm die Nase, beutelte ihn von allen Seiten. Die ausgelöschte Welt war am Umkippen. Er schlurfte voran, fragte

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