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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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und Wohnzimmer gewesen. Immerhin gab es im Wohnzimmer ein Klavier und einen Kaminsims, und das waren doch die Stellen, an denen Bilder hätten stehen sollen, dachte er. Er hätte gern etwas über die Enkel erfahren, hätte so tun können, als wäre er eine Art adoptierter Onkel, wenn sie zu Besuch gekommen wären.
    »Und das ist Onkel Loyal, Elly, sag ihm guten Tag.« Und das kleine Mädchen, mager, mit krausen roten Haaren, wäre verschämt zu ihm geschlichen und hätte hallo geflüstert, und er hätte ihr die winzige, fünf Zentimeter große Fellpuppe geschenkt, die er einem Fallensteller vom Stamm der Lakota abgekauft hatte, dessen Frau sie herstellte. Es war ein niedliches kleines Ding aus feinem Kaninchenfell in einem weißen Lederkleid, auf das winzige Perlchen genäht waren. Um den Hals der Puppe hing ein Band aus Maulwurfskrallen. Er bewahrte sie in einem kleinen Lederbeutel in seiner Hemdtasche auf, und wenn er sie manchmal herausnahm und betrachtete, lag sie so warm in seiner Hand, als wäre sie lebendig. Alte Tagträume. Er wußte nicht, warum zum Teufel er das Ding mit sich herumschleppte.
     
    Das Fallenstellen auf Frank Cloves’ Grund war anders.
    Cloves hatte die Hi-Lo-Ranch geerbt, fünfundsiebzig Quadratkilometer in einem gut bewässerten Tal mitten in den Bergen. Sein Großvater war als Eisenbahnarbeiter ins Land gekommen, der jüngste Sohn wurde Cowboy auf der Hiawatha Lodge Ranch und heiratete die Tochter eines Fleischfabrikanten aus dem Osten. In seiner Kindheit und Jugend hatte Cloves nur das Beste und machte das Schlechteste daraus. Er hielt sich für einen Viehzüchter. Was sonst hätte er sein sollen?
    Die schneeweißen Big Horns, wo Cloves zusätzliche Weiderechte hatte, verschwammen im Westen mit dem Himmel. Sweetheart Creek und Snowpool flossen im lieblichen Talgrund zusammen. Auf dem höher gelegenen Land wuchs Holz. Cloves hatte ein krankhaftes Bedürfnis, seine Macht zu zeigen. Er heiratete fünfmal, und das Geschrei und die Streitereien in dem Haus mit fünfundzwanzig Zimmern trug der Ranch bei den Einheimischen den Namen »Krachbude« ein. In seinem Leben lief nichts richtig, und er zog sonderbare und gefährliche Leute an.
    Wütend, weil eine Kiesablagerung eines Frühlings eine Biegung des Snowpool verstopfte, so daß ein Heufeld auf der gegenüberliegenden Seite überschwemmt wurde, hatte er den Einfall, die Kurve abzuschneiden, damit der Bach gerader verliefe. Nachdem der Bulldozer einen Vormittag lang am Werk war, nahm die Fließgeschwindigkeit zu, und der Bach riß sich innerhalb einer Woche ein neues, gerades Bett, das fünf alte Biegungen abschnitt, Tonnen von Kies auf Cloves’ Heufelder im Talgrund ablagerte, zwei große Weidenhaine unterspülte. Der Fluß weiter unten im Tal wurde aufgestaut und überflutete die Stadt Queasy. Nachdem ihm die Behörden einen Besuch abgestattet hatten, leitete er gezwungenermaßen Wiederherstellungsarbeiten ein, die Jahre dauerten und ein paar hunderttausend Dollar kosteten.
    Seine Rinder litten an Bremsenlarven, Trommelsucht, Rauschbrand, Aktinomykose, Räude und Klapperschlangenbissen. Als er einen Veterinär einstellte, der sich ausschließlich um die erkrankte Herde kümmern sollte, arbeitete der Mann zwei Monate, erklärte sich dann zum Cowboy-Dichter und zog zum Reimen nach Montana.
    Von seiner dritten Frau ging das Gerücht, sie sei ein Transvestit.
    Auf dem Grundstück wurde eine bescheidene Kohleader entdeckt, aber die Anstrengungen, sie auszubeuten, schlugen fehl, als die Kohle von Öl überschwemmt wurde und die Schächte sich mit Gas füllten. Ein unglücklicher Blitzschlag löste einen Brand aus, der das Gas zur Explosion und das Öl zum Verbrennen brachte und anschließend zehn Jahre lang unterirdisch in der Kohle weiterschwelte.
    Als es mit den Rindern schiefging, wechselte er zu Schafen. Weil sich weder gegen Liebe noch Geld ein Hirte anwerben ließ, überließ er die Schafe sich selbst. Mit den Schafen legte er sich zugleich einen Haß auf Kojoten zu und glaubte, sein Land werde von ihnen in nie gekannter Zahl heimgesucht, sie kämen bis von Dakota und Montana her, um seine Tiere zu quälen.
    Doch Loyal hielt Cloves nie für die komische Figur, die er seinem Ruf nach war.
    Sah ihn zum ersten Mal in einer Bar. Cloves kam ins Bite the Dust. Er trank ein dunkles Bier, bestellte ein zweites. Loyal musterte ihn aus dem Augenwinkel. Betrachtete den breiten, zu groß geratenen Kopf, stellte eine gewisse Ähnlichkeit mit Mussolini

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