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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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ihren Birkenstammhälften zum Sprung duckten, eine Feldschlange, die schwerfällig über den Türsturz kroch, und überall Fotos voll Fliegendreck von Männern in kniehohen Stiefeln, die Kadaver und Leichen in Händen hielten.
    »Kann ich Ihnen helfen«, sagte eine gereizte Frauenstimme. Sie saß in einer der Sitzecken, die bequem Raum für drei Personen bot, eine dicke junge Frau mit blondem Haar, das an der Seite gescheitelt und mit einer schwarzen, grob gerippten Seidenschleife nach hinten gebunden war. Über einem mit Seepferdchen bedruckten Hauskleid trug sie einen grauen Männerpullover. Vor ihr befanden sich ein in der Mitte durchgeschnittenes Hühnchensandwich, an dessen Ende Schinkenstreifen heraushingen, und eine Kanne Kaffee neben einem Souvenirbecher, eine aufgeschlagene Zeitschrift. Die Buchstaben, die er sehen konnte, ergaben: »Das Telegramm traf ein, als ich Joe untreu war.«
    »Hätte gern eine Tasse Kaffee und so ein Sandwich, wenn Sie noch eins haben.« Deutete mit dem Daumen.
    »Läßt sich machen.« Sie hievte sich hoch, und er sah die verknitterten Beine der Arbeitshose unter dem Kleid, die öligen Arbeitsschuhe.
    »Sind Sie die Dicke Kiefer?«
    »Fast getroffen. Bin dick genug. Mrs. Big Pinetree. Piney ist im Pazifik, und ich bin hier, damit die Bären aus dem Speisesaal draußen bleiben und um Autos zu reparieren, so gut es geht - ohne Ersatzteile und ohne Reifen. Wollen Sie’s getoastet?«
    »Denke schon.«
    Sie holte eine offene Schüssel mit Hühnersalat aus dem großen Servel-Kühlschrank, dessen Tür um den Griff herum von Werkstattschmiere verfärbt war, klatschte drei Scheiben Schinken auf den Rost und legte drei Scheiben Brot zum Toasten darauf. Sie drückte mit einem Pfannenwender auf den Schinken, und das Fett troff heraus. Dann öffnete sie erneut den Kühlschrank, packte einen Kopfsalat wie eine Bowlingkugel, riß zwei Zentimeter Blätter ab und warf sie auf das Schneidebrett. Sie wendete den Schinken, wendete die Brotscheiben, drückte mit dem Wender darauf. Sie holte die Kanne aus der Sitzecke und goß Kaffee in einen weißen Becher, auf dem stand: »Zur Erinnerung an die Dicke Kiefer in den Adirondacks«. Sie schob den Wender unter eine Scheibe Brot, die dunkel geröstet war und einen schwarzen Rand hatte, ließ sie auf einen Teller rutschen, bestrich sie mit Silvernip-Mayonnaise, legte die Hälfte des Salates darauf, klatschte eine Kelle voll Hühnersalat in die Mitte, nahm die zweite Scheibe Toast, legte sie darauf wie ein Maurer, der einen Ziegelstein einpaßt, klatschte Mayonnaise, den restlichen Salat und den heißen Schinken darüber. Als die letzte Scheibe Brot obenauf lag, blickte sie zu Loyal, das Messer in der Hand.
    »Schräg oder gerade?«
    »Gerade.«
    Sie nickte einmal, setzte das Messer genau in der Mitte an, parallel zum Rand des Toasts, hob den Messergriff an und schnitt das Sandwich glatt durch. Sie holte ein kleines Kännchen mit Sahne aus dem Kühlschrank und stellte alles vor ihm auf die Theke.
    »Da, bitte sehr. Ich traue Kerlen nicht, die’s schräg geschnitten mögen. Stadtmode. Fünfundfünfzig.« Er kramte nach Kleingeld, setzte sich zum Essen, versuchte, nicht zu schlingen und zu stopfen. Sie ging zu ihrer Zeitschrift zurück, und er hörte sie ein Zündholz entfachen, hörte das zufriedene Ausstoßen ihres Atems, roch den Rauch. Sie war dick, aber nicht böse.
    »Schmeckt verdammt gut, das Sandwich«, sagte er. »Könnte ich vielleicht noch’ne Tasse Kaffee kriegen?«
    »Bedienen Sie sich«, sagte sie und klapperte mit der Kanne auf dem Tisch vor sich. Er trug seinen Becher hinüber, und sie schenkte ihm Kaffee ein und hielt dabei seinen Becher mit der Hand ruhig. Ihre Finger berührten seine.
    O Gott! Er hatte sich nicht gewaschen, seitdem er … Er wollte schon zurückzucken, da fiel ihm das Benzin ein. Er trank einen Schluck Kaffee und versuchte die nervöse Anspannung niederzuringen. Setzte sich ihr gegenüber auf die Bank und legte den Kopf ein wenig schräg.
    »Verlasse nicht gern angenehme Gesellschaft«, sagte er, »aber ich muß weiter.«
    »Wo geht’s denn hin?«
    »Nach Westen. Hab’ mir gedacht, ich geh’ mal von der Farm weg, geh’ in einen von den Rüstungsbetrieben, verdien’ mir was.«
    »Wenn ich das bloß könnte. Die kriegen wirklich gute Löhne. Frauen, kriegen an den Fließbändern dasselbe wie die Männer. Bonny am Band. Ich stecke hier fest, bis Piney zurück ist, und hier kommen am Tag keine fünf Autos vorbei. Wenn ich

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