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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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mich bloß auf Ihren Rücksitz packen könnte.«
    »Ich kann mir schon denken, was Piney tun würde. Mein Kopf würde vermutlich da oben an der Wand landen, neben dem ausgestopften Stinktier.« Ein kalter saurer Hauch ging von ihr aus, ähnlich dem kiesigen Boden unter Steinen.
    Sie lachte und sah ihn an, aber er entzog sich ihrem Blick mit einem Zwinkern.
    »He, süße Mrs. Pinetree.«Seine Stimme klang weich.»Könnten Sie mir vielleicht ein bißchen Extrabenzin verkaufen. Bin fürchterlich knapp mit Marken.«
    »Tja, da haben Sie am richtigen Ort angehalten, aber es kostet Sie das Doppelte.« Ihre Stimme wurde hart, sie schien zu Gußeisen zu werden. Er ging mit ihr hinaus und lehnte sich ans Auto, während sie den Tank mit Benzin füllte. Draußen im Licht sah er, daß sie nichts Besonderes war, nur eine eingepferchte Frau, die nicht wußte, wie sie sich freischaufeln sollte, nichts als Schmiere und Schmutz, aber bereit, was sie hatte, jedem zu geben, der vorbeikam. Ihre Knöchel waren aufgeschunden, die Fingernägel schwarz gerändert. Jetzt war sie mürrisch, weil sie spürte, daß er aufbrechen würde, kaum hätte er das Benzin.
    »Das wird dir eine Lehre sein.« Mit ihrem Fuß schubste sie den gelben Kater weg, der um ihre Beine strich, hob ihn dabei ein paar Zentimeter in die Luft. »Wehr dich, Katerchen.« Natürlich meinte sie ihn.
    Sie scheint nicht zu wissen, wie gut sie es hat, dachte er. Daß sie hier sein durfte, in aller Ruhe den Laden führen und große Sandwiches essen konnte, soviel Benzin bekam, wie sie wollte, aus dem Benzin Vorteil schlug, Schwarzmarktpreise dafür einstrich, Piney draußen auf dem Pazifik betrog, seine Hand berührte, sie wußte ja nicht einmal, wer in Gottes Namen er war, und Herrgott, die arme Billy, wo war sie? Die Frau wußte nicht, wie nah sie ihm kam.
    »Wie wär’s mit einer Art Bonus für diejenige, die Ihnen das Benzin verkauft.« Sie spitzte den Mund.
    »Vielleicht sollten wir für die Art Bonus einfach wieder reingehen«, sagte er und lächelte, als hätte er Nägel zwischen den Zähnen, der ölige Metallgeschmack von Nägeln lief ihm direkt die Kehle hinunter, und er konnte es kaum erwarten, die Tür zuzuschlagen und zu verriegeln.
    Auf der Suche nach einem Halt umklammerten seine Arme den Postkartenständer, und er rang nach frischer Luft. Er war sich nicht sicher, was los war, aber urplötzlich schien ihm, als würde er an einem ganz heißen Tag ein Loch graben, um seine eingefallene Lunge mit Luft zu füllen. Die Hose hing ihm um die Stiefelschäfte. Er sah die fleckige Unterwäsche und wollte die Hose hochziehen, bekam aber keine Luft.
    »Sieht ja reizend aus«, sagte sie von der anderen Seite des Raums und sah zu, wie er nach Luft rang. Sie ging zu ihm. »Ich hab’ gesagt, sieht ja reizend aus, du würgender, dreckiger Hund.« Sie warf einen Sandwichteller in seine Richtung. Er traf den Postkartenständer und fiel in seine Hose. Er sah ihn zwischen seinen Knöcheln, sah das geronnene Fett und ein Stückchen roten Schinken, den schmutzigen weißen Teller. Wie war er da nur hineingeraten? Er wollte sie nicht, er wollte nichts von ihr außer Benzin.
    Er rang nach Luft, schüttelte den Teller auf den Boden, zog seine Hose hoch und keuchte. Da lief etwas ganz falsch. Ein Herzanfall oder dergleichen. Er stolperte gegen die Tür. Hatte die Hände voller Postkarten. Draußen wehte Wind, und die Luft war kalt, und wenn er sterben sollte, dann wollte er draußen sterben, nicht hier drin.
    »Na los, raus«, sagte sie. »Du hast Glück. Du hast Glück, daß ich nicht Pineys Flinte runterhole. Wenn du schlau bist, bist du im Nu draußen, oder ich hol’ Pineys Flinte runter.« Sie näherte sich ihm. Er schob den Riegel zurück und riß die Tür auf.
    Der Parkplatz wurde von den schwarzen Tannen auf der anderen Straßenseite zusammengedrückt, kleiner und kleiner zusammengefaltet wie ein Stück Papier. Vor den Bäumen wartete sein Auto, sah bleich aus, der verchromte Griff an der Fahrertür ein silberner Stab, der ihn, als er ihn ergriff, mit den Möglichkeiten von Weiten verband. Keuchend und nach Luft schnappend, schwang er sich ins Auto, es sprang an wie geschmiert, sprang an, und er stieß rückwärts über den Kies auf die einsame Straße hinaus, vorbei an Wogen von Kiefern und Tannen, den ins Dunkle führenden, zerfurchten Zufahrten, den von Moskitos heimgesuchten Hütten im Wald.
    Als er auf die Straße hinausfuhr, bewegte sich etwas neben dem Holzstapel. Er hielt

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