Postkarten
es für ein herabfallendes Scheit, aber es war der gelbe Kater, von der gleichen Farbe wie frisches Holz. Sie hatten einmal einen Stallkater gehabt, mit einem ebensolchen karamelfarbenen Fell. Er erinnerte sich, wie der Kater seine Mutter umschmeichelt hatte, sich auf die Veranda gesetzt und zu ihr aufgeblickt hatte. Sie hatte ihn Spotty getauft und ihm Sahne gegeben. Er hatte den Fehler begangen, sich an Minks Bein zu reiben, als der gerade schlecht gelaunt war, Mist aus der Abflußrinne schaufelte. Mink hatte dem Kater mit einem Schaufelhieb das Rückgrat gebrochen.
Nach einer Stunde konnte er wieder leichter atmen. Der Vordersitz war mit Postkarten übersät, siebzig oder achtzig Postkarten, alle mit demselben feisten, rotschnäuzigen Bären, der zwischen schwarzen Bäumen hervorkam. »Die müssen um die acht Dollar wert sein«, sagte er laut und verspürte eine kalte Freude über den winzigen Gewinn.
4
Was ich sehe
Das Land wird eben, als die Wälder in kilometerlange Weinberge übergehen, die gewundenen Zweige an Drähten gekreuzigt. Das Holpern des Wagens auf einer Straße voll Teernarben, an den Rändern ausgefranst, wo sich der bröcklige Asphalt mit dem Kies, dem Unkraut vermischt, Reihen mit Kreosot gestrichener Pfosten mit Blinkstrahlern, abgewinkelten Spitzen. Doch das Land ist so eintönig wie ein Rasen, und er fährt weiter, vorbei an den Ferienhäuschen mit winzigen Veranden und Metallstühlen, vorbei an Benzinpumpen und Windrädern in Form von Enten, an Metallschildern mit der Aufschrift Nehi.
Der Himmel wird größer. Gelbe Lehmstraßen zweigen scharf ab nach Norden und Süden. Gipsenten auf verwelkten Rasen, knatternde Fahnen im Wind entlang der flachen Häuserreihen. Ein Hund läuft dem Wagen dreihundert Meter weit nach.
In der dampfigen Wärme des Café Olympia ißt er dicke Pfannkuchen, trinkt Karo. Der Kaffee schmeckt stark nach Zichorie. Er stützt sich mit den Ellbogen auf dem Tresen ab und sieht dem Koch zu. Ein Junge stellt seine Indian ab und kommt herein. Er zieht seine Schutzbrille hoch und legt weiße Hautringe bloß.
»Die Hunde«, sagt er zu dem Koch. »Die Hunde hauen mich noch mal um. Ich hab’ grade so’nen Köter überfahren, der rausgeschossen und auf mein Bein los ist.«
»Ja, so was.« Der Koch drückt mit seinem verkrusteten Wender auf die Kartoffeln. »Hoffentlich war es kein irischer Setter, Rusty, gleich die Straße rauf, wo ich wohne.«
»Kann schon sein«, erwidert der Junge. »Nein, nein, ich nehm’ dich bloß hoch. Es war ein schwarzer, so zehn Kilometer zurück. Riesenköter. Fast so groß wie’ne Kuh. War kein irischer Setter.«
In Pennsylvania stehen die Weinberge weniger dicht. Die Traubenranken verlieren sich, Maisfelder wogen auf. Die Ebenheit des Landes verstört ihn durch ihre Leichtigkeit. Die Straße ist eine Platte, mit Asphaltkanten übersät, die gegen seine abgenutzten Reifen schlagen, ihm Hände und Schultern durchrütteln, weiter, immer weiter. Vor ihm biegen Autos von der Hauptstraße auf Nebenwege ab, wirbeln Staub auf. Im Radio nur Rauschen und gebrochene Stimmen, die ein paar Worte herausschreien: »Jimmy Rodgers … betet zu Gott … Glückwünsche zum Geburtstag... in Europa... auf Wiederhören, Leute... Pillsbury... Orgelspiel... Duz macht... eine Geschichte über eine … oh … hallo, Leute … Jesus sprach … unsere Hörer schreiben an …«
Er überholt alte Lastwagen, die auf profillosen Reifen daherrasen. Seine eigenen Reifen machen ihm Sorgen. Er biegt auf einen Kiesweg ab, aber Steine wirbeln auf, Staub erstickt ihn. Splitt im Mund. Als er die Finger am Daumenballen reibt, spürt er harten Splitt. Und fährt auf den Asphalt zurück.
Kilometerlange Schneezäune. Auf einem vergessenen Heuballen balanciert ein Wanderfalke. Die flache Landschaft verändert sich, die Farbe des Bodens verändert sich, wird dunkler, dunkler. Aus dem staubigen Radio Gebete und langes Schweigen. Im Herbstregen werden die Häuser zu Wohnwagen zwischen den Bäumen. Eichen kommen auf ihn zu, blitzen auf, werden zu Dickicht, zu Wald. H&C Café, SPEISEN, AMOCO, BENZIN 5 KM. Nebel. Ein dünner Nachtnebel. Der Boden in Indiana ist tief braunschwarz. Das Vieh versinkt in seiner Schwärze. Aus den Sumpflöchern und Teichen flattern Zuggänse auf, bewegen zu Hunderten scherenartig die Flügel über ihm. Ihre angewinkelten Hälse zeichnen Streifen auf das Wasser, es wird von ihren eintauchenden Köpfen und Schnäbeln zerspellt.
Im Gasthaus über einer Tasse
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