Postkarten
des Milchschuppens. Und trat singend ins Haus.
»Warum schreibt er nur keinen Absender auf die Dinger«, fragte Jewell, drehte die Karte um und sah den Bären stirnrunzelnd an. »Wie sollen wir ihm da antworten? Wie sollen wir ihm mitteilen, was so passiert ist?« fragte Jewell Mink. Diese Frage durfte nicht gestellt werden.
»Erwähn vor mir nicht den Namen von diesem Dreckskerl. Ich will nichts von ihm hören.« Mink zog sich wütend ein zweites Paar Socken an. Seine Schultern hingen unter dem steifen Arbeitshemd herab, auf den glatten Ärmeln die Spur des Bügeleisens. Seine haarigen Hände kamen aus den Manschetten und faßten zu.
»Du kannst postlagernd an den Ort schreiben, wo sie abgestempelt ist«, sagte Dub.
»Chicago? Sogar ich weiß, daß die Stadt zu groß dafür ist.«
»Wollt ihr den ganzen Tag quasseln, oder können wir mit dem Melken weitermachen?« fragte Mink. Seine Arme steckten in der Stalljacke, er schob die Knöpfe durch die ausgeleierten Knopflöcher. »Ich will mir die Kühe einzeln ansehen, festlegen, welche wir verkaufen, damit wir die Arbeit schaffen können. Wenn wir sie schaffen können. Im Moment kriegen wir für die verfluchten Milchbons gerade so viel Geld, daß wir uns Schuhe und Benzin für den Traktor kaufen können.« Die Stallmütze, der schmierige Schild in Richtung Tür weisend.
Dub lächelte dämlich und stieg in seine Stallstiefel. Die Bänder hingen herunter. Er folgte Mink dicht auf den Fersen wie ein Hund.
Im Stall der süße Atem von Kühen, spritzender Kot, Strohstaub, der vom Heuboden herunterregnete.
»Mit den Kühen müssen wir die Steuern und die Feuerversicherung bezahlen. Und deine Mutter weiß es zwar nicht, aber mit der Hypothek sind wir ziemlich im Verzug.«
»Ist ja ganz was Neues«, erwiderte Dub, verdrückte sich in eine dunkle Ecke und betätigte den Pumpenschwengel, bis das Wasser herausschoß. Fing an, die Eimer zu füllen. »Ach, das Farmersleben, das ist lustig.« Er sang die alte Hymne der Farmer mit der üblichen, gebrochenen Ironie. War sie jemals anders gesungen worden?
7
Wenn einem die Hand abgenommen wird
Dub besaß einen Zeitungsausschnitt; drei Jahre lang hatte er ihn in einer Schreibtischschublade, die sich kaum öffnen ließ, aufbewahrt.
Marvin F. Blood aus Vermont verletzte sich, als er von einem fahrenden Güterzug, der in Oakville, Connecticut, einfuhr, sprang und dabei unter einen Waggon rutschte. Er wurde ins St. Mary’s Hospital eingeliefert, wo man ihm den linken Arm oberhalb des Ellbogens abnahm. Dazu meinte Percy Sledge, der Polizeichef von Oakville: »Die Leute fordern eine Verletzung heraus, wenn sie heimlich mit Güterzügen fahren. Dieser junge Mann hätte seine Kraft dem Kriegsdienst zur Verfügung stellen sollen. Jetzt ist er zu einer Last für seine Familie und die Gemeinschaft geworden.«
Mink und Jewell hatten ins Krankenhaus nach Connecticut fahren müssen, um ihn abzuholen. Mink starrte auf den leeren Ärmel der gespendeten Kordjacke und sagte: »Schau dich bloß mal an mit deinen vierundzwanzig Jahren. Herr Jesus, du siehst aus wie hundert Kilometer schlechte Straße. Hättest du dich daheim ausgetobt, würdest du nicht in dem Schlamassel stecken.«
Dub grinste. Er wird noch auf einer Beerdigung grinsen, dachte Mink. »Das muß mir jemand auf meinen Schlafanzug sticken«, meinte Dub. Es war kein Witz. Als Dub an der Straße in Hartford den Schnapsladen sah, sagte er zu Mink, er solle anhalten.
Es war schwierig, die Whiskeyflasche mit nur einer Hand zu öffnen. Der Verschluß schien zugeschweißt. Er klemmte die Flasche zwischen die Knie, spuckte in die Hand und drehte, bis er einen Krampf in den Fingern hatte. »Ma?« sagte er.
»Ich hab’ in meinem Leben noch für niemand eine Flasche von dem Giftzeug aufgemacht, und ich fang’ jetzt nicht damit an.«
»Ma, du mußt das für mich machen. Wenn du’s nicht machst, beiße ich der verfluchten Flasche den Hals ab.«
Jewell starrte stur zum Horizont, die Hände fest gefaltet. Sie fuhren einen Kilometer. Dubs Schnaufen erfüllte das Auto.
»Verdammt noch mal!« schrie Mink und scherte auf den Grasstreifen aus. »Verdammt noch mal, gib mir das verfluchte Ding!« Er drehte an dem Verschluß, bis er knackte und sich löste. Dann gab er Dub die Flasche zurück. Whiskeygeruch entströmte ihr, ein schwerer Geruch wie von verbrannter Erde nach einem Buschfeuer. Jewell kurbelte ihr Fenster ein Stück auf, und die dreihundert Kilometer Richtung Norden sagte Dub
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