Postkarten
nichts über die Luft, die ihn frösteln ließ, bis er schlotterte und noch mehr Whiskey trinken mußte, um geradeaus schauen zu können.
Daß er ein Narr war, hatten sie schon gewußt, als er noch ein Säugling war, aber jetzt hatten sie den Beweis aus erster Hand, daß er ein Krüppel war und obendrein ein Trunkenbold.
Es ging ein bißchen leichter, dachte Dub, seitdem sie vier Kühe verkauft hatten, aber trotzdem wurden sie abends erst um halb sieben oder später mit dem Melken fertig. Auch wenn er das Abendessen ausließ, so mußte er sich immer noch waschen und den Stallgeruch loswerden. Gleichgültig, was er tat, ob er ein Bad nahm und dabei in das graue Wasser eintauchte oder Arme und Hals mit Naphtha schrubbte, bis die Haut brannte, die kräftige Duftmischung aus Dung, Milch und Vieh strömte wie Hitze von ihm aus, wenn er mit Myrt tanzte. Aber am Samstag abend nach dem Melken wusch er sich und machte sich auf den Weg ins Wirtshaus Zum Kometen. Sollte einer versuchen, ihn aufzuhalten.
Es war kalt. Der Laster sprang erst an, nachdem er den heißen Teekessel für eine halbe Stunde auf die Batterie gestellt hatte. Vermutlich würde er sich um Mitternacht nicht wieder starten lassen, wenn der Komet zumachte, aber das war ihm jetzt egal, und mit ungeduldiger Freude schlitterte er um die kiesigen Kurven, überfuhr das Halteschild an der Kreuzung. Er hatte keine Scheinwerfer sich nähern gesehen. Er raste zur Wärme im Kometen.
Als er ankam, war der Parkstreifen belegt. Auf dem Wirtshausdach glühten der rote Neonkomet und der heiße Schriftzug in der eiskalten Nacht. Ronnie Nipples Lastwagen, wegen der besseren Bodenhaftung am Hügel mit Holz beladen, stand am anderen Ende der Auto- und Lastwagenschlange. Der Schnee knarzte, als Dub die Räder einschlug und neben ihm parkte. Wenn es sein mußte, würde Ronnie ihn vermutlich nach Hause bringen. Oder Trimmer, falls er da war. Er suchte die Kolonne nach Trimmers Holzlaster ab, sah ihn aber nicht. Sein Atem schoß heraus und bildete Reif auf der Windschutzscheibe, wo die Heizungsluft sie nicht angewärmt hatte. Er knallte die Tür zu, aber der ausgeleierte Riegel schnappte nicht ein, so daß sie wieder aufsprang. »Verdammt, hab’ keine Zeit, damit rumzutun.« Er rannte zur Tür mit der Milchglasscheibe und der klingelnden Glocke, begierig, in den Lärm einzutauchen, den er herausdröhnen hörte.
Der dampfende, vom Qualm heiße Raum sog ihn in sich hinein. Die Tische waren vollbesetzt, die Bar eine Reihe gebückter Rücken und Schultern. In der Musikbox leuchteten bunte Blasen, Saxophone heulten auf, gurgelten aus den Blasen hoch. Er drängte sich zu aufflammenden Streichhölzern, zum Funkeln von Bierflaschen, zum hinterhältigen schmalen Halbmondlächeln sich leerender Schnapsgläser. Er stellte sich an den Tresen und sah sich nach Myrtle um, nach Trimmer.
»Wie zum Teufel kriegst du’s so heiß hier drin?« rief er Howard zu, der hinter dem Tresen hin und her flitzte. Der Barmann wandte sein langes, gelbes Gesicht Dub zu. Die schlaffe, vom Rauch verfärbte Haut schien von dem Paar metallisch schwarzer Augenbrauen an Ort und Stelle gehalten zu werden. Der Mund öffnete sich zu einer Grimasse, als er ihn erkannte. Ein feuchter Zahn blinkte auf.
»Körperhitze!«
Ein Mann am Tresen lachte. Es war Jack Didion. Sein Arm umfaßte die ältere Frau neben ihm. Sie trug ein langes weites Kleid, auf das marineblaue Zickzackleisten gedruckt waren. Sie arbeitete auf seiner Farm, molk Kühe, trug die ganze Woche über Männeroveralls. Didion flüsterte der Frau etwas ins Ohr, und sie warf den Kopf zurück und lachte schallend. »Körperhitze! Du sagst es!« Ihre abgebrochenen Fingernägel waren schwarz gerändert.
Die vielfarbigen Flaschen waren zu einer Pyramide aufgebaut. Nachdem Howards Frau gestorben war, hatte er den runden Spiegel mit den eingravierten Rotkehlchen und Apfelblüten von ihrer Frisierkommode genommen und hinter den Flaschen an die Wand gehängt, so daß nicht nur ihre Zahl, sondern auch ihre Vielfalt und ihre Verheißungen verdoppelt wurden. Auch Howard wurde verdoppelt, als er hin und her ging und sich sein Hinterkopf zwischen den Flaschen spiegelte.
Die kleine Bühne am Ende des Tresens lag im Dunklen, aber die Mikrophone waren aufgebaut, ein Schlagzeug stand da. Ein Pappschild auf der Staffelei: THE SUGAR TAPPERS, in Glitzerpulverbuchstaben. Dub schob sich durch die Tanzenden und sah Myrtle an einem Tisch an der Wand. Sie beugte sich ins
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