Postkarten
Geld. Es müssen’ne Menge Soldaten zurückkommen, die bauen wollen. Da wechselt viel Geld den Besitzer. Ich krieg’ meinen Teil, hundertprozentig.«
Er hatte es satt, im Gestank ungewaschener Kleider aufzustehen und den ganzen Tag lang bis zum Dunkelwerden im Gestank von verbranntem Metall und ranzigem Öl zu arbeiten, ohne daß die Arbeit jemals nachließ, drei Schichten Hochbetrieb wie in einer Bingomaschine, die numerierte Holzkugeln mischt, bis sie stehenbleibt und irgendeine Glückszahl herausfällt. An Silvester ging er in eine Kneipe. Mit Elton und Foote, die neben ihm am Band arbeiteten. Die Kneipe war gerammelt voll, Rüstungsarbeiter mit Geld, das Löcher in die Taschen brannte, Frauen in glatten kunstseidenen Kleidern, das gewellte Haar von unsichtbaren Haarnetzen gehalten, Puder zwischen den Brüsten und schwarzroter Lippenstift, der auf den Biergläsern einen verschwommenen Abdruck ihrer Lippen hinterließ, der Geruch nach Zigarettenrauch und dem billigen Parfüm »Ein Abend in Paris« aus winzigen blauen Flakons. Wenn jemand von der Straße hereinkam, durchtrennte eine Schneide eiskalter Luft den Qualm.
Loyal drängte sich mit Elton und Foote zur Theke, bestellte Bier. Elton, ein schlanker Hinterwäldler mit krummen Armen und einer schwachen Blase, war nach einer halben Stunde sternhagelvoll. Foote hielt sich an einem Whiskey fest und starrte stur geradeaus. Loyal stand zwischen Foote und einer Frau mit einem roten Lackledergürtel, der ihr Kleid zusammenschnürte. Ihr Haar war zu einer Masse schwarzlila Lokken aufgetürmt. Das Dekolleté ihres Kleides, geschnitten wie ein Ritterschild, entblößte ihren gepuderten Busen. Sie rauchte Camel, eine nach der anderen, drehte sich allmählich von Loyal weg und einem nicht sichtbaren Mann auf ihrer Linken zu. Ihr Rücken drückte gegen Loyals Arm. Langsam schob sie ihren heißen, festen Hintern nach, bis er gegen Loyals Oberschenkel stieß. Er spürte, wie sein Schwanz hart wurde, die gute Hose ausbeulte. Es war lange her. Langsam brachte er seine Hand in Position, bis sie das stramme Hinterteil der Frau umfaßte, die es gegen seine Handfläche drückte und sich so lange wand, bis sein Zeigefinger in der Furche zwischen ihren Hinterbacken lag. Der schlüpfrigen Kunstseide entströmte Hitze. Er bewegte die Hand auf und ab, und jäh wie ein fallender Balken packte ihn mit fürchterlicher Stärke der Würgekrampf. Er bekam keine Luft mehr. Er ließ sich nach hinten in die Mauer aus Trinkenden fallen, zerrte und riß an seinem Hals, als wurde ihm der Henkerstrick die Kehle zusammenschnüren. Er roch, wie eine brennende Zigarette Stoff versengte, die Decke aus Preßblech mit ihrem unerbittlichen Muster schwankte und fiel auf ihn herab.
Als er wieder zu sich kam, lag er auf einem Tisch, und ein Kreis aus Gesichtern starrte auf ihn herab. Ein extrem dünner Mann drückte knochige Finger auf Loyals Handgelenk. Das in der Mitte gescheitelte Haar des Skeletts war nach hinten frisiert wie zu einer metallenen Kappe. Seine Zähne und Augen waren goldumrändert, und an den Fingern trug er goldene Ringe, einen Ehering und einen Siegelring am kleinen Finger der rechten Hand. Loyal spürte, wie er unter einem donnernden Herzschlag bebte und schlotterte.
»Sie haben Glück, daß ich hier bin. Sie hätten Sie zu den anderen Betrunkenen in die Ecke gelegt. Hätte Ihnen endgültig das Licht ausgeblasen.«
Loyal konnte nicht sprechen, weil er mit den Zähnen klapperte. Seine Arme vibrierten, aber er bekam Luft. Er setzte sich auf, und enttäuscht, daß er noch lebte, wandte die Menge sich wieder den Gläsern zu.
»Das Adrenalin bringt Sie zum Zittern. Ich habe Ihnen eine Adrenalinspritze gegeben. In etwa einer halben Stunde werden Sie sich beruhigen. Sie haben solche Anfälle schon öfter gehabt, nehme ich an.«
»So nicht.«
»Allergische Reaktion. Vermutlich etwas, was Sie gegessen oder getrunken haben. Ich sag’ Ihnen was: Machen Sie sich eine Liste von allem, was Sie heute gegessen und getrunken haben, und schauen Sie übermorgen bei mir rein.«
Aber Loyal wußte, daß es nichts war, was er zu sich genommen hatte. Es war die Berührung. Die Berührung der Frau. Wenn nicht Billy, dann sollte es auch keine andere sein. Der Preis fürs Davonkommen. Keine Frau, keine Familie, keine Kinder, keine menschliche Wärme im tagtäglichen Fortschreiten seines Lebens; sondern ruheloses Wandern von einer Stadt zur nächsten, die engen Zäune einsamer Gedanken, die erbärmliche
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