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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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regelmäßige Arbeitszeiten, ja, Ma’am, nein, Ma’am, vergeude mein gutes Geld nicht beim Spielen, kümmere mich um meine zwei Mietshäuser, bring’ meine Buchhaltung auf den neuesten Stand, seh’ meine Kinder, Barbara und Josie, treff’ meine Exfrau, treff’ meine Freundinnen. Die beiden Mädels sind jetzt fünfzehn und dreizehn, aber ich hab’ genug auf die hohe Kante gelegt, daß sie auf die besten Schulen im Land gehen können. Die Mädels haben was auf dem Kasten. Die bringen’s mal zu was. Josie will Wissenschaftlerin werden, aber was für eine, weiß sie noch nicht. Biologin, meint sie. Sie kommt nächsten Sommer raus und gräbt mit mir nach Knochen. Barbara spielt so gut Klavier wie Liberace. Ohne Quatsch, sie ist echt gut.«
    Jedes Frühjahr brauchten sie einen Monat, um sich wieder aneinander zu gewöhnen. Erst arbeiteten sie nebeneinander, aber keiner konnte lang so nah neben Wulff arbeiten, ohne sich mißhandelt zu fühlen. Wulff meinte, Loyals Schweigen mache ihn krank.
    »Menschenskind, ist ja erholsam,’nen schwer arbeitenden, ruhigen Partner zu haben, aber ich hab’ das Gefühl, als müßt’ ich für uns beide reden. Ich frag’ dich was, und du knurrst bloß. Die Antwort muß ich mir dann selber ausdenken.«
    Loyal hatte es bald satt, daß Wulff immer die zwei gleichen Dinge sagte, wenn sie in ein anderes Gebiet kamen. Entweder: »Ich hab’ das Gefühl, in den Steinen stecken Fossilien.« Oder: »Mein allwissender Hosenbodendinosaurieraufspürer sagt mir, hier ist nichts zu holen.«
    Nach und nach arbeiteten sie immer weiter voneinander entfernt, so daß sie schreien mußten, um festzustellen, wo der andere war.
    Sein eigenes Gespür dafür, wo er suchen mußte, konnte er nicht erklären. Es war wie beim Fallenstellen, teils Instinkt für die Art, wie Tiere sich durch einen Landstrich bewegten, teils Gespür für die jahrtausendealte Landschaft, das ihm sagte, wo in der untergegangenen Welt Seen und Sümpfe, wo Senken und Risse gewesen waren.
    »Verflucht, du kannst Fossilien riechen«, sagte Bullet.
    »Stimmt genau«, sagte Loyal. »Sie riechen wie verbranntes Mehl.«
    Aber was er eigentlich mochte, waren die Spuren. Wie oft war er abrupt stehengeblieben und hatte Wulff von der Arbeit weggezerrt?
    »Was soll’s, sind doch bloß Spuren.« Wulffs mit Gips überzogene Hände wurden zu steifen Klauen, als er dastand und die Spuren betrachtete. »Wir können doch, Herrgott noch mal, keine Spuren ausgraben. Das ist eine ganze Folge, verstehst du mich? Was willst du machen, zweihundert Fußabdrücke ausgraben? Jeder ist so groß wie’ne Waschmaschine.«
    »Ich will wissen, wo sie hinführen. Das ist was anderes wie Knochen. Die Knochen sind tot, Überreste, aber die Spuren - die sind was Lebendiges, ein lebendes Tier hat die Spuren gemacht. Es ist wie Jagen. Wir sind dem Tier auf der Spur, und ich hab’ immer das Gefühl, daß es seinen eigenen Angelegenheiten nachgegangen ist, bevor die ersten Menschen aus dem Morast gestiegen sind.« Er erschrak über seine eigene Heftigkeit. »Schau hier, wie tief die Zehen eingegraben sind, die Ferse aber nicht zu sehen ist? Was immer die Spuren gemacht hat, es ist gerannt. Schau dir an, wie groß der Abdruck ist. Dreißig Zentimeter lang. Irgendein riesiges rotäugiges Untier mit großen Klauen. Wie würd’s dir gefallen, wenn das Ding über dich herfallen würde, dort vorne aus den Büschen raus? Oder vielleicht war was noch Größeres hinter ihm her, und es war auf Teufel komm raus auf der Flucht vor ihm. Stell dir das mal vor, Bullet, stell dir das vor.«
    »Was immer dich auf Touren bringt.« Aber Wulff erzählte Fantee Horsley vom Beinecke American Geological Museum, daß er mit einem Sonderling grabe, der sich für Spuren interessiere, und ob jemand eine, sagen wir, einen Kilometer lange Fußabdruckserie wolle.
    Sie schlugen ihr Lager auf, nachdem sie wieder einmal ausgiebig über ihr Lieblingsthema gestritten und sich über die mangelhaften Beweise des jeweils anderen gefreut hatten. Letztlich handelte es sich um einen Schreiwettstreit mit Bullet, der in South Dakota aufgewachsen war und sich für eine Autorität in Sachen Präriegräser hielt, der auf die Bremse trat, zum Straßenrand rannte und ein Grasbüschel ausriß, um seinen Standpunkt zu untermauern.
    »Schau her, Blood, das ist Nadelgras, ein in der kalten Jahreszeit wachsendes Büschelgras, und ich kenne es schon mein Leben lang, und das ist Spart- oder Stachelschweingras. Siehst du

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