Postkarten
nach Fountain fährt. Angeblich kann es zig Jahre dauern, bis sie ihn wieder hinkriegen.«
Jedesmal, wenn Loyal an der Shears-Farm vorbeifuhr, schaute er zu dem Schuppen und hoffte, einen Blick auf diese Rarität zu erhaschen.
Er dachte daran, Zuckerrüben anzubauen. Auf Zuckerrüben schwor der Landwirtschaftsberater Stein und Bein. Es gab jetzt gute, ertragreiche Kreuzungen, die widerstandsfähig gegenüber dem falschen Mehltau und der Kräuselkrankheit waren. Als der alte Shears hörte, daß er an Zuckerrüben dachte, taute er auf.
»Okay, also da haben Sie wirklich die Wahl, wie Ihre Erntemaschine aussehen soll. Sie haben zwei Möglichkeiten. Erstens die Erntemaschine, die an Ort und Stelle das Kraut abschneidet. Sie fährt vorbei, verstehen Sie, und schneidet das Kraut ab, während die Rüben im Boden steckenbleiben. Sie hat zwei Räder, die gegeneinandergerichtet sind, sich in den Boden graben und in einem Aufwasch die Rüben lockern und herausreißen. Die Stoßscheiben putzen sie, und die Förderkette befördert sie nach hinten zum Rübenwagen. Das ist eine Art, wie man’s machen kann. Die andere Art ist die, für die ich mich entscheiden würde, wenn ich Sie wäre: die Erntemaschine mit einem Rad, einem Rad mit eisernen Dornen, das holt die Rüben aus dem Boden - das Kraut bleibt dran. Ein Paar Leitschienen zieht die Rüben von den Dornen, und zwei rotierende Scheiben schneiden das Kraut ab, wenn die Rüben den höchsten Punkt erreicht haben. Danach fallen sie auf den Anhänger. Das ist einfacher. Mann, ich hab’ in den alten Zeiten Zuckerrüben angebaut, da haben die verfluchten Schädlinge das meiste aufgefressen, und was übrig war, mußte man in Handarbeit ernten. Würde ich nie wieder machen. Um nichts in der Welt.«
Loyal sah das Schild HUNDEJUNGE ABZUGEBEN an Shears’ Briefkasten. In all den Jahren, seit er von zu Hause fort war, hatte er keinen Hund gehabt. Wollte er jetzt damit anfangen? Anscheinend ja.
Er fuhr auf den Hof, sah zu, wie er sich mit Hunden füllte, der gemischtrassigen Hündin mit buschigem Schwanz, halb altenglischer Schäferhund, halb deutscher Schäferhund mit einem Schuß Collie, die die Zähne bleckte und knurrte, und vier halb ausgewachsenen Jungen, die vom Nebeneingang zu seinem Jeep rasten. Shears’ Wagen war nicht da.
Er blieb sitzen und musterte die Hunde. Da ging die Tür des Schuppens auf, und Jase, der von seiner Reise durch die Berge Vietnams absonderlich geworden war, kam heraus. Er sprach mit sich selbst. Schaute weder Loyal noch die Hunde an, die blauumränderten Augen blickten über die Giebel der Gebäude an den Wolkenrändern entlang und zurück zum Boden, zu einem Vogel, einem Auto auf der Straße. Er war großgewachsen. Klapprig und steif wie ein Notenständer, kaum einundzwanzig, das Haar so hell, daß es silbern wirkte. Jetzt schoß sein flackernder Blick von einem Hundejungen zum anderen, von der Anstrengung, sie alle im Blick zu behalten, stand ihm der Mund offen. Er drückte das Kinn auf die Brust, verzog den Mund nach einer Seite. Loyal hielt sich an der Wagentür fest und merkte sich das Junge, das ihm am besten gefiel. Letztlich kam nur eines in Frage, ein gewitztes Weibchen, das an den Finten seiner Wurfgenossen vorbeiwischte, sich zum Pinkeln neben den Jeep hockte und hinter Jase rannte, aus seinem Gesichtsfeld, so daß er sich schnell umdrehen mußte.
»Die ist mir, glaub’ ich, am liebsten«, sagte Loyal. »Kann ich dir was für sie anbieten?«
Jase warf den Kopf zurück, bis sein Adamsapfel vor Anspannung weiß wurde, versuchte zu sprechen, schaffte es aber nicht; die Worte zuckten um seinen Mund, strafften die Sehnen seines gedehnten Halses.
»All-all-alle-andren«, ein Schwall ineinandergeschobener Silben, »drübenamBauplatzfürdenMcDonald’s. Aaaaander Kreuzung. Wird gebaut. McDonald’s.«
Loyal ging in die Hocke und machte Kußgeräusche. Die Hundejungen rannten zu ihm, lachten ihm ins Gesicht, trommelten mit heißen Pfötchen und scharfen Krallen auf seine Knie. Er hob das gewitzte Mädchen auf und setzte es ins Auto auf den Boden.
»Steh’ in deiner Schuld«, sagte er zu Jase. »Schau gelegentlich mal vorbei. Auf ein Bier.«
»Ja-a-a.«
Das Hundemädchen war auf dem Sitz, kratzte an der Scheibe. »Runter. Runter, Little Girl, runter, Girly.« Er wußte, daß Hundenamen kurz sein sollten und im Mund knacken wie Flip, Zack und Nick, aber der hier war besser. Little Girl. Sie fuhren los. Das Hundemädchen sprang das Lenkrad
Weitere Kostenlose Bücher