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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Lichtern des McDonald’s an der Kreuzung beendet. Farmerfamilien kamen von weit her, als würde ein Sohn Hochzeit feiern, um Fleisch in Brötchen zu essen, an der glitschigen Soße zu lecken, an gewachsten Pappbechern zu nuckeln. Die Parkplatzlichter in der zugigen Nacht schwollen an.
    Am Ende des Tages setzten Loyal und Jase sich in ihrer starren Kleidung auf die Veranda, in der Hand eine kalte Flasche, Jase, nackt bis zum Gürtel, den Stuhl gekippt, die Lehne an der Wand, das Haar aus dem Nacken nach oben geknotet, die nassen Haarbüschel in seiner Achselhöhle waren jedesmal zu sehen, wenn er die Flasche hob. Little Girl lag auf dem Rücken und hielt ihren Bauch in den Luftzug, während sie im Schlaf lächelte.
    »Willst du was davon?« Jase schüttete seinen selbstangebauten Stoff auf ein Blättchen und zwirbelte es zusammen, sog den nach Heu riechenden Rauch ein und reichte die Zigarette an Loyal weiter.
    Das Gespräch setzte langsam ein, vorsichtig ließ Jase ein paar abgerissene Worte heraus, vorsichtig, Loyal suchte seinen Verstand nach Themen ab. Sie konnten den ganzen Tag in angenehmem Schweigen arbeiten, nur ein paar Worte, damit sie sich die Drahtzange reichten. Auf der Veranda war es anders. Loyal sah Jase jetzt nur aus den Augenwinkeln an. Er spürte die eigene verwelkende Haut wie eine modernde Tapete an sich hängen. Sie sprachen über das Wetter, die Dürre, die Gewitter, den verdammten Wind und die Tornados. Wieviel Fleisch noch im Gefrierschrank war. Ob die Gärten verbrennen würden oder nicht. Kranke Tiere. Wasser und Brunnen. Was die Hunde so getrieben hatten. Über einen Wagen, dessen Motor nur so schnurrte, der aber Bremsen zum Vergessen hatte. Über Elvis.
    »Duuuuu-uu, willst du Elvis? Dann schau!« Jase, der so vollkommen anzusehen war wie ein Stein in einem Bach, fuchtelte mit den Armen und begann zu heulen, sein Becken in Richtung Hof zu schleudern - »Ah-uuuu, ah-uuuu!« -, bis die Hündin sich aufsetzte, die Schnauze hob und laut jaulte. Draußen in der Dunkelheit antwortete spöttisch ein Kojote, und Loyal schlug das Herz, seine Stiefelabsätze klopften auf der Treppe den Takt.
    Kojoten also und Weizen, weiße Bohnen, Sojabohnen, Mais, Schweinemist und Gewichtszunahme, Mormonen, Giftköder und wieder Kojoten. Fallenstellen, nein, Fallenstellen nicht, beim Wort »Falle« schauderte Jase, seine Gedanken schweiften gefährlich ab zu Sprengfallen, zu roten Bergen, auf die er sich hinaufschleppte, wo er den Boden mit einer Stange auf eine sichere Stelle zum Hinsetzen prüfte, sich eingrub, wo der Pickel kaum an dem von Wurzeln durchzogenen Boden kratzte. Sein in Panik geratenes Gedächtnis schreckte zurück vor Seifenkraut, Punji-Stock, den durch eine Sprungfeder ausgelösten Bomben in alten Verpflegungsdosen, den Kindern, die explodierten, wenn man sie packte. Metallteile, Füße, Gewebefetzen und Knochensplitter, die aufs Geratewohl auf einen niederregneten. Wie wenige die erschreckende und abartige Intelligenz jagender Menschen begriffen. Er würgte das Gespräch ab, starrte auf das im Traum verdrehte Hinterbein der Hündin und lief davon, blieb tagelang fort, ließ die Arbeit um Loyal herum zusammenbrechen.
    »Du hast keine Aaaahnung. Wie schlaaaau. Ein Meeeensch ist.«
    Also behutsamere Themen: ob kleine Farmen zum Scheitern verurteilt waren, ob dieser Dreckskerl Butz überhaupt etwas Nützliches zuwege brachte oder sie an die großen Genossenschaften verkaufte, Bienenstiche, Leute mit großen Füßen, Mormonen, das beste Holz für Zaunpfosten, was die Hunde so trieben, ob Bier eiskalt oder leicht gekühlt besser schmeckte, Frank Zappa, Frauen, Miniröcke. Nein, Frauen nicht. Da zerdrückte Loyal die Bierdose mit den schorfigen Händen, spuckte auf den Boden.
    Gemeinsam bauten sie Schweinekoben, einen neuen Geräteschuppen, zäunten ums Haus herum ein Viereck ein, pflanzten die Waldkiefern, errichteten eine Garage für Loyals Wagen. Warum nicht, dachte Jase, er bekam gutes Geld, und nicht jeder hätte so einen verrückten Kerl eingestellt, der Gras rauchte und heulte. Warum nicht, dachte Loyal, reden tat keinem weh.
    Nach den schwülen Augusttagen des dritten Sommers dauerte das trockene Wetter an, der Wind legte sich nie. Loyal konnte sich nicht daran gewöhnen, wie der Wind über ihn fuhr, wenn er sich bückte, um ein Rad abzuschrauben, wie er ihn um den Hühnerstall herum in die Enge trieb. Die Hündin, die Hühner, Jase. Er stand so isoliert im Leben wie ein Ausstellungsstück.

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