Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
wie Dewey erkannte, eine mögliche Lösung, um die wachsenden Spannungen an Bord von Capitana in den Griff zu bekommen.
Es klopfte an der Tür. Esco, gefolgt von Haig und Pierre. Das Trio trat ein und blieb vor Dewey stehen.
»Mach die Tür zu«, sagte dieser zu Pierre.
»Sie wollten uns sehen, Chief?«, fragte Haig.
»Was hört man so von den Männern?«, wollte Dewey wissen.
Haig und Esco wechselten flüchtige Blicke.
»Du fängst an«, meinte Dewey zu Haig.
»Ich glaube, im Moment haben sie einen ziemlichen Hass auf die Araber«, sagte Haig zögernd. »Jim war ziemlich beliebt.«
»Reden wir von Rache?«
»Ich bin mir nicht sicher. So gut kenne ich die Leute nicht.«
Dewey schaute Esco an.
»Und was kannst du berichten?«
Esco zuckte die Achseln. »Zwei Männer haben sich gestritten. Einer der beiden wurde getötet, und seine Freunde rächten ihn. Serine hat es als Nächsten erwischt.«
Dewey musterte Escos Gesicht. Da war nichts, keine Regung, kein Stirnrunzeln, nichts, was sich daraus ablesen ließ. »Kannst du helfen?«
»Ich werdʼs versuchen, Chief. Aber ich weiß nicht, wie viel Einfluss ich habe.«
»Dasselbe gilt für mich«, warf Haig ein. »Beide Seiten haben Fehler gemacht. Ich werde mit den Männern reden und sehen, was ich tun kann.«
Dewey warf einen Blick aus dem Fenster auf den herannahenden Tanker, der sich noch immer in weiter Ferne befand.
»Mir ist klar, dass ihr beiden nicht für den Ärger verantwortlich seid. Ich habe euch hergebeten, weil ich hoffe, dass ihr andere davon überzeugen könnt, auf euch zu hören. Ich möchte, dass ihr Folgendes an die Männer weitergebt: Sollte es heute Abend zu Streitigkeiten kommen, werden die Beteiligten in die Arrestzelle der Montana gesperrt und nach Buenaventura gebracht. Dort wird die kolumbianische Staatspolizei sie festnehmen. Dafür werde ich sorgen. Man wird sie wegen versuchten Mordes, Körperverletzung und was mir sonst noch einfällt anklagen. Anson Energy macht seinen gesamten Einfluss geltend, damit diese Männer für lange Zeit hinter Gitter landen.«
Dewey schwieg einen Moment, damit sie die ganze Tragweite seiner Worte begriffen.
»Es gibt ein Gefängnis, sie nennen es Picalea, in den Ausläufern der Anden. Ein furchtbarer Ort. Im Winter wird es bitterkalt, und es fehlt eine Heizung. Die haben noch nicht mal Fenster in den Zellen, bloß Löcher mit Gitterstäben. Da weht der Schnee rein und alles, was sie einem geben, ist eine winzige Scheißdecke. Und im Sommer, na ja, im Sommer wird es so verdammt heiß, dass man sich den Winter zurückwünscht.« Dewey trat einen Schritt nach vorn und blickte erst Esco, dann Haig an. »Sollte heute Nacht irgendwas passieren, sollte es zu einem weiteren Gewaltausbruch kommen, dann verbringen die Streithähne die nächsten zehn Jahre ihres Lebens in diesem Knast.«
»Verstanden«, meinte Haig.
»Ich werde es den Männern sagen«, versicherte Esco.
Nachdem die beiden gegangen waren, setzte Dewey sich hin, um etwas zu erledigen, das er nicht länger vor sich herschieben konnte: Er musste dem Sicherheitschef von Anson in der Zentrale in Dallas eine Mitteilung schreiben. Nachdem er sie verfasst hatte, entschied er sich jedoch, sie nicht abzuschicken. Ein paar Todesfälle, dachte er. Das ist alles. Jetzt ist es vorbei.
Er löschte die E-Mail, als die Montana eintraf und an der Ostseite des Bohrturms anlegte. Ein gewaltiger Tanker, groß genug, um als dunkler Schatten über den Rändern der Plattform aufzuragen. Im Moment noch so hoch wie ein sechsstöckiges Gebäude, doch würde die Höhe dramatisch abnehmen, wenn der Tanker sich erst mit Öl füllte.
Um neun Uhr ging Dewey an Bord der Montana. Am oberen Ende der Laufplanke erwartete ihn Captain Pablo Pascoe.
»Hey, Kumpel«, sagte Pablo. »Hungrig?«
»Fast verhungert«, erwiderte Dewey. »Und Durst habe ich auch.«
Sie liefen über die ganze Länge des Schiffs bis zur Navigationszentrale. Von dort nahmen sie den Aufzug zur Brücke, die sich auf der oberen Ebene des Supertankers befand.
Auf dem Weg in Richtung Speisesaal begrüßte Dewey die Seeleute auf der Brücke.
»Erst mal einen Whiskey?«
»Das wäre genau das Richtige.«
»Kein Eis, wenn ich mich recht erinnere. Pur, stimmtʼs?«
»Ganz genau!«
»Wie läuftʼs?«
»Stressig. So wie immer. Das weißt du doch.«
Pablo schenkte zwei Gläser ein. Sie nahmen sie mit aufs Außendeck. Die Montana hatte schon seit Monaten nicht mehr an Capitana angelegt. Dewey empfand die
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